Im Alter von erst 21 Jahren beendet die Tiroler Speed-Spezialistin Dajana Dengscherz ihre Ski-Karriere. Auslöser war der Rauswurf aus dem ÖSV-Kader. Im Interview spricht sie über die Beweggründe, ihre wohl zu ausgeprägte Sensibilität für den Leistungssport und die Zukunft an der FH.
Die Weltcupsaison 2017/2018 ging mit einer Vielzahl von Abschieden zu Ende. So entschieden sich etwa Michaela Kirchgasser (33), Denise Feierabend (29), Julia Mancuso (34), Manuela Mölgg (34), Maria Pietilae-Holmner (31), Florian Eisath (33) und Carmen Thalmann (28) dazu, ihre Karrieren zu beenden. Die größte Überraschung unter den Zurückgetretenen ist allerdings Dajana Dengscherz. Am 9. Mai ließ sie via Social Media ihre Fans wissen: „It’s time to say good bye (…) sometimes life hits you right in your face and you have to make a decision.“ Ein Schlussstrich der jungen Tirolerin nur 2,5 Jahre nach dem Weltcup-Debüt im Alter von erst 21 Jahren ist ebenso unerwartet wie untypisch.
Mit Platz 30 in der Abfahrt von Lake Louise und vier Top-10-Plätzen im Europacup war die abgelaufene Saison zwar durchwachsen, aber Dengscherz hatte zwischendurch noch immer mit den Nachwehen des Pfeifferschen Drüsenfiebers zu kämpfen. Den Kampfgeist verlor die Athletin des Kitzbüheler Skiclubs aber nie. Nach dem Saisonende im Weltcup absolvierte sie noch die österreichischen Meisterschaften in Saalbach und das Schweizer Pendant in Davos ehe es in den Urlaub ging.
Dann der Schock: „Die Schweizer Meisterschaften waren mein letztes Rennen und ich bin sie eigentlich schon als Vorbereitung auf die nächste Saison gefahren. Mitten im Urlaub ist dann der Anruf gekommen, dass ich nicht mehr im Kader bin“, erzählt Dengscherz von dem einschneidenden Moment. „In dem Augenblick reißt es dir erst einmal den Boden unter den Füßen weg. Du hast ja einen Plan für den Sommer, du hast konkrete Vorstellungen wie deine Zukunft weitergeht. Und auf einmal ist das alles weg“, sagt die Kirchbergerin.
„Ich bin vielleicht zu sensibel und womöglich nicht aus dem richtigen Holz geschnitzt.“
Natürlich ist Dengscherz keine Saison gefahren, die ihre Erwartungen erfüllt hat, aber mit dieser ÖSV-Entscheidung hatte sie keine Sekunde gerechnet: „Das ist völlig überraschend gekommen. Es hat niemand vorher mit mir gesprochen und angedeutet, dass es knapp werden könnte.“ Dem stimmt auch Dajanas Papa zu, der seine Tochter zum Interview begleitet hat: „Zum Saisonabschluss Ende März in Saalbach haben Dajana und ich mit einem der Europacuptrainer ein Gespräch geführt und da hat er gemeint: ,Ihr werdet mit der Saison zwar nicht zufrieden sein, aber so schlecht war das nicht‘“, erinnert sich Dierk Dengscherz an den Wortlaut. Letztendlich war seine Tochter dem ÖSV aber heuer zu schwach, um weiter zum Kader zu gehören.
Sentimentalitäten gibt sich Dajana keinen hin: „Es hat jeder gewusst, dass ich besser fahren hätte können, das habe ich in den vielen guten Ergebnissen in den Trainings gezeigt. Jeder hat es von mir erwartet, insbesondere ich selbst – trotzdem ist das Aus unerwartet. Da sieht man, dass man im Leistungssport sehr schnell fallen gelassen werden kann.“ Mit dem so genannten „Trainingsstatus“ – wie einige andere – die Karriere fortzusetzen, kommt für Dengscherz nicht in Frage: „Meine Entscheidung ist endgültig. Mir geht es ja auch um das Vertrauen in die Betreuer“ und darauf scheint die Tirolerin nichts mehr zu geben. „Ich bin vielleicht zu sensibel und womöglich nicht aus dem richtigen Holz geschnitzt, dass ich so etwas locker wegstecke.“
Auch Vater Dierk Dengscherz knabbert noch ein wenig an dem harten Aufprall auf den Boden der Realität: „Es hat uns allen ein bissl die Füße weggezogen. Ich weiß nicht, auf wieviel Hunderte Rennen ich die Dajana begleitet hab, und wieviel Tausend Paar Ski ich früher gewachst und hergerichtet hab. Es waren die letzten zwei Jahre schon sehr schwierig für sie, aber Dajana hat sich durchgebissen. Ich hab es auch nicht nachvollziehen können, dass man Dajana aus dem Kader wirft – eine junge Athletin, über die es immer wieder heißt, sie sei im Speed-Bereich eines der Top-Talente in Österreich.“ Aber Dierk Dengscherz sieht es auch pragmatisch: „Wenn eine Tür zugeht, öffnet sich irgendwo eine neue.“ Und einen kleinen Spalt ist die neue Tür bereits offen. Dajana zeichnet immer schon eine Leidenschaft für das Künstlerische aus und so absolviert sie derzeit ein Praktikum in einem Architektur-Büro. Am 6. Juli folgt die Aufnahmeprüfung für ein Innenarchitektur-Studium an der FH in Rosenheim.
Ein Dengscherz-Mädchen bleibt dem Skisport aber noch erhalten: Die 19-jährige Schwester Carina arbeitet tapfer am Sprung in den Weltcup: „Carina tickt etwas anders. Sie ist weniger sensibel und egoistischer als ich“, sagt Dajana. „Sie hat sich u. a. bereits dreimal das Kreuzband gerissen und ist trotzdem genauso motiviert wie immer. Für sie gibt es nichts anderes als das Skifahren“, beschreibt sie ihre Schwester.
Dajana selbst hat vom Skizirkus Abschied genommen – ohne Wehmut, wie sie jetzt mit ein paar Wochen Abstand zum ÖSV-Anruf im Urlaub betont: „Mit Verbitterung schau ich sicher nicht zurück und ich bin auch niemandem böse. Spitzensport ist hart. Ich habe in den vielen Jahren viel erlebt, gesehen und gelernt – das hat mich für mein Leben geprägt. Von den Erfolgen bis zu den Niederlagen.“ Eine Mama, die ihre Kinder von Skirennen zu Skirennen fährt, dürfte sie aber trotzdem nicht werden: „Das schließe ich aus heutiger Sicht aus. So ein Leben ist einfach sehr mühsam, weil man dafür sehr vieles aufgeben muss. Schule, Freunde, Freizeit.“ Papa Dierk Dengscherz versteht seine Tochter gut: „Auch mein Enthusiasmus für Spitzensport ist in den letzten Jahren eher geringer geworden.“
Dajana freut sich unterdessen jetzt schon auf das freie Skifahren im kommenden Winter auf ihren Heimatbergen in Kirchberg und Kitzbühel: „Endlich eine bequeme Ausrüstung, endlich bequeme Skischuhe“, sagt sie und strahlt. Die Freude an ihrem Lieblingssport kann ihr niemand nehmen.