Rund um den Weltcup

Peter Brunner: „Gott sei dank bin ich zu patriotisch“

ORF-Stimme Peter Brunner mit Expertin Alexandra Meissnitzer © ORF
ORF-Stimme Peter Brunner mit Expertin Alexandra Meissnitzer © ORF
Der 43-jährige Welser Peter Brunner ist seit vielen Jahren die Kommentatoren-Stimme der Damenrennen im ORF. Im Interview spricht er über seine eigenen Skikünste, über seine patriotischen Emotionen und die Nähe zu den Sportlerinnen. 

Herr Brunner, wie gut soll ein Sport-Kommentator eigentlich jene Sportart beherrschen, die er kommentiert?
PETER BRUNNER: Da gehen die Meinungen weit auseinander. Ich glaube, dass man den Sport betrieben haben soll, aber nicht zwingend auf höchstem Niveau. Man kann sich Wissen ja auch aneignen. Es hilft freilich, ist man einmal Ski gefahren oder hat Fußball, Handball usw. gespielt. Es geht im Sportjournalismus ja auch um Regelwerk und Technik. Wenn man über Technik redet, sollte man schon einmal auf Ski gestanden sein. 

Wie gut fahren Sie Ski?
PETER BRUNNER: Naja, so gut wie jeder andere auch.

Das heißt, Sie kommen jeden Hang hinunter?
PETER BRUNNER: Die Mausefalle in Kitzbühel komme ich nicht hinunter. Aber ich habe mit fünf begonnen Ski zu fahren, war im Skiclub in Wels, fuhr als Schüler Rennen und war mit meinen Eltern auch immer auf Skiurlaub. So richtig actionmäßig bin ich aber nie unterwegs gewesen und wenn es richtig glatt ist, kann ich nicht mehr – zumindest nicht stilvoll.

Kommen Sie zum Skifahren, wenn Sie die Saison über mit dem Weltcup unterwegs sind?
PETER BRUNNER: Nein. Das klingt jetzt vielleicht blöd, aber wenn ein Bäcker ständig Semmeln bäckt, möchte er auch einmal etwas anderes essen als eine Semmel. Ich bin vier Monate mit dem Skizirkus unterwegs und bin froh, wenn ich einmal nicht auf die Piste muss.

Aber Sie haben Ihre Ski immer mit dabei?
PETER BRUNNER: Ja.

„Skifahren nach dem Rennen gehen wir nie.“

Wie sieht ein typischer Tag mit einem Rennen für Sie aus?
PETER BRUNNER: Unser Tagesablauf ist immer gleich und beginnt mit der Hangbesichtigung in der Früh. Das ist unsere letzte Chance, vor dem Rennen noch einmal mit Trainern, Serviceleuten und Läuferinnen zu sprechen. Da erfahren wir etwa, wie sich die Piste über Nacht entwickelt hat und ob es Starterinnen gibt, die schlecht geschlafen haben bzw. nervös sind oder nicht. Im Anschluss geht es in die Sprecherkabine und nach den letzten Vorbereitungen geht die Übertragung los. Dann kommentieren wir das Rennen und im Anschluss gestalten wir noch Beiträge für aktuellen Sendungen wie den Sport um 19.55 Uhr, Sport 20 auf ORF Sport+ oder – bei Bedarf – Summarys für den Nachmittag. Ist tags darauf noch ein Bewerb, beginnt anschließend schon die Vorbereitung für das nächste Rennen und um 17 Uhr ist Mannschaftsführersitzung. Die läuft bis etwa 17.30 Uhr und danach schreib ich bis 19 Uhr noch die letzten Vorbereitungen. Das ist unser Tag. Skifahren nach dem Rennen gehen wir also nie, denn diese Frage bekommen wir sehr oft gestellt.

„Inzwischen hab ich zwar alle Infos digitalisiert, aber beim Kommentieren in der Kabine bin ich noch immer ein Papier-Fan.“

Woher kommen Ihre Informationen während des Rennens? Aus einem Heft, aus dem Computer, von einer Stimme im Ohr?
PETER BRUNNER: Ich komme aus dem Landesstudio Oberösterreich und dort habe ich von Manfred Payrhuber gelernt. Von ihm habe ich übernommen, dass ich Ordner anlege, mit allen Infos, die ich mir zusammenschreibe. Inzwischen hab ich zwar alles digitalisiert, aber beim Arbeiten in der Kabine bin ich noch immer ein Papier-Fan. Von Robert Seeger habe ich übernommen, dass ich die regelmäßigen Vorbereitungen auf die Rennen handschriftlich in ein Heft notiere. Die Infos während des Rennens hab ich also immer dank des Heftes parat, denn es blättert sich viel schneller als am Computer zu klicken oder am Tablet zu wischen – und ich habe ja nur wenige Sekunden dafür Zeit, die Infos zu finden.
Die Kommentatoren-Kabinen im Weltcup. Brunner sitzt in der zweiten von links © Skiing Penguin
Die Kommentatoren-Kabinen im Weltcup. Brunner sitzt in der zweiten von links © Skiing Penguin
Aber die Geschichte des Weltcups ist ja länger als ihre Aufzeichnungen. Was hilft bei historischen Fragen?
PETER BRUNNER: Wir sind die einzige Fernsehstation, die dank unseres Sportarchivs alle Weltcupergebnisse der Geschichte digitalisiert hat. Davon hat jeder von uns auch eine Laptopversion. Möchte ich etwa wissen, wie oft eine Norwegerin in einem Super-G auf Platz 38 gelandet ist, kann ich das mit wenigen Klicks herausfinden. Oder wie oft jemand aus Andorra in den Punkten gelandet ist. Während des Rennens hab ich dafür aber keine Zeit, auch das ist ein Punkt der Vorbereitung.

„Natürlich muss ein Österreicher bzw. eine Österreicherin anders klingen, weil wir machen ein Programm für Österreich.“

Wie halten Sie es mit dem Patriotismus als Kommentator: Was ist angebracht, was ist zuviel, was zuwenig?
PETER BRUNNER: Die scheinbar richtige Dosis Patriotismus kann man sich gerne vornehmen, aber es wird nicht funktionieren. Ein Kommentator ist auch nur ein Mensch und keine Maschine. Wenn ich live spreche, ist es eine emotionale Geschichte und du kannst es auf eine gewisse Weise nicht steuern. So etwas wie „unser Franzi Klammer“ oder „unsere Renate Götschl“ gibt es allerdings zurecht nicht mehr, weil die Läufer nicht „unsere“ sind. Objektivität ist unsere Hauptaufgabe, aber natürlich muss ein Österreicher bzw. eine Österreicherin anders klingen, weil wir machen ein Programm für Österreich und berichten in erster Linie über die österreichischen Belange.

Aber es kann schon sein, dass es mit Ihnen einmal durchgeht . . . 
PETER BRUNNER: Sicher, das kann passieren, denn ich lebe mit. Mir wurde in den Zeitungen von Kritikern schon öfter vorgeworfen, ich sei zu patriotisch. Da sag ich: Gott sei Dank, sonst könnte man auch einen Computer hinsetzen.

„Wüste Beschimpfungen blende ich aus, konstruktive Kritik beantworte ich gerne.“

Wie ist es eigentlich mit der Nähe zu den Athletinnen? Sitzt man nicht ab und zu im selben Flieger oder im selben Hotel?
PETER BRUNNER: Das hat sich in den letzten Jahren geändert, denn früher waren wir mit dem ÖSV öfter im selben Hotel, das ist mittlerweile von der ÖSV-Seite nicht mehr gewünscht und daher nur mehr sehr selten der Fall. Ich verstehe das auch, denn ich würde es auch nicht wollen, dass die Läuferinnen um 7 Uhr früh schon zucken und sich denken: „Was hört der vielleicht?“ Das wäre mir auch unangenehm. Ich versuche auch immer eine gewisse Distanz zu den Sportlern zu haben, aber es hat natürlich auch Vorteile, etwa bei einer WM im selben Hotel zu sein – weil man eben mehr plaudern kann.

Sind Sie mit den heimischen Läuferinnen per du?
PETER BRUNNER: Ich bin mit allen per du – das ist die Bergsprache. Sie werden am Berg auch keinen Trainer finden, der mit Ihnen per Sie ist.

Kommentatoren polarisieren, sehr gerne vor allem unter Usern im Netz. Wie gehen Sie damit um? Lesen Sie das und berührt es Sie?
PETER BRUNNER: Wüste Beschimpfungen blende ich aus, konstruktive Kritik beantworte ich gerne. Aber es als Kommentator jedem recht zu machen, ist unmöglich. Was mich stört, sind die sprachlichen Umgangsformen und die gefallenen Hemmschwellen im Netz. Beim Radsport hat mich ein Zuseher per Mail über Jahre regelmäßig beschimpft, ganz egal von welchem Rennen wir berichtet haben. Das hat mich richtig geärgert und dann habe ich mir die Mühe gemacht, trotz der anonymen Mailadresse hinter seine Identität zu kommen und es ist mir gelungen. Es war ein Funktionär von einem Radclub in Niederösterreich. Ich hab ihn angerufen und gesagt, „Grüß Gott, mein Name Brunner. Warum beschimpfen Sie mich eigentlich immer?“ Er ist fast vom Sessel gefallen und hat sich mehrmals entschuldigt. Seither hat er mir nie wieder geschrieben.

Wie lange wollen Sie Ihren Job in dieser Ausformung noch betreiben? Sie sind ständig unterwegs und selten daheim. Wird das nicht von Jahr zu Jahr schwieriger und sehnen Sie sich nicht ab und zu in ein Büro an einen Schreibtisch?
PETER BRUNNER: Ich finde den Sport auch nach 20 Jahren noch immer interessant und cool, außerdem kenne ich es nicht anders. Ich hatte nie einen klassischen Schreibtisch-Redakteuersjob sondern war als Reporter immer unterwegs, seit ich mit 17 Jahren begonnen habe. Reisen und Herumfahren war auch schon als Kind mein Traum. Spielt die Familie allerdings nicht mit, wird es schwierig.