Auf dem Hintertuxer Gletscher lässt sich die Pistenpräparierung hautnah erleben. Am Steuer einer neun Tonnen schweren und 460 PS starken Pistenraupe dürfen Winter- und Technikfreaks ihre Runden hinter einem sehr sensiblen Steuer drehen. Auch wir machten einen nicht alltäglichen Praxistest.
Während im Tal die nächsten Freibäder ihre Becken freigeben, lockte der Hintertuxer Gletscher im Tuxertal mit einer ziemlich exklusiven und nicht minder coolen Aktion: einer (Pisten-) „Bullyparade“ zum Mitmachen. Das Ganzjahresskigebiet lud seine Gäste ein, einige Runden in einer Pistenraupe zu ziehen und das nicht nur als Beifahrer, sondern auch als Pilot. Etwa 25 nimmermüde Schneefreaks ließen sich diese Chance nicht entgehen. Christian etwa reiste dafür sogar extra aus Hamburg an: „Seit 15 Jahren hab ich versucht, mit so einem Gerät fahren zu dürfen“, sagt der Fan von schwerem Gerät á la Bagger oder Radlader.
Auch wir haben uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen, das neun Tonnen schwere Gerät über das (flache) Testgelände zu manövrieren. 400.000 Euro kostet der 460 PS starke Pistenbully aus dem Hause Kässbohrer und trotz seiner optischen und akustischen Urgewalt, hat er sehr sensible Seiten: Sowohl die Lenkung als auch das Gas reagieren auf zarteste Berührungen, dafür fehlt ein Bremspedal. Um anzuhalten steigt man einfach vom Gas. Unser Fahrlehrer war der Osttiroler Florian. Es ist heuer seine zweite Saison als Ratrac-Fahrer in Hintertux. Angst hat er keine, wenn seine Maschine von blutigen Anfängern gesteuert wird, denn „Ich hab die Hand immer an der Handbremse“. Während der 15-minütigen „Tour“ auf der Gefrorenen Wand auf über 3250 Metern, erzählt uns Florian von den Schwierigkeiten bei der Pistenpräparierung und seinen Anfängen:
Vor allem die ersten Meter bereiten uns Anfängern Schwierigkeiten, da die dezenten Dosierungen von Gas und Steuerbewegungen mit einem PKW nicht zu vergleichen sind (übrigens ist ein Führerschein der Klasse B Pflicht). Aber es lernt sich schnell und mit jeder Runde wächst unsere Lockerheit. 25 Liter Diesel schluckt der Pistenbully pro Stunde, ist viel Neuschnee zu bewegen, können es auch 35 Liter sein. In seinen Tank passen übrigens 300 Liter. Wie die Lenkung so eines Raupenfahrzeuges funktioniert, erklärt Profi Florian:
Ist Florian ohne neugierige Gäste unterwegs und geht seiner eigentlichen Aufgabe nach, beginnt sein Einsatz auf den Pisten nach dem Skibetrieb. Fällt kein Neuschnee, dauern die Präparierungen zumeist bis 20, 21 Uhr – andernfalls länger. Der Osttiroler ist eigentlich gelernter Dachspengler und Mechaniker: „Dann hab ich mir gedacht, es wäre schon einmal lässig mit so einem Gerät zu fahren.“ Gefährlich wird der Job, wenn der Pistenbully bei viel Neuschnee ins Rutschen gerät: „Da heißt es cool bleiben“, sagt Florian. Lebensgefahr für unachtsame Skifahrer und Tourengeher droht bei der Pistenpräparierung auf Steilhängen, während der Bully an einem Seil hängt. Florian erklärt warum:
Nur zwei große Unternehmen weltweit stellen Pistenraupen her: Kässbohrer (den Pistenbully) und das Südtiroler Unternehmen Prinoth. Die Deutschen halten bei 65 Prozent Marktanteil und sind zufrieden: „Wir können nicht klagen“, sagt Franz Müller von Kässbohrer, wo er für den Einkauf zuständig ist. Aber da man sich auf lange und niederschlagsintensive Winter nicht mehr verlassen kann, denkt man weiter: „Wir schauen, dass wir Alternativen zum Wintergeschäft finden, und gehen mehr in den Utility-Bereich”, erklärt Müller. So arbeite man etwa an Offroad-Fahrzeugen für Pipeline-Sanierungen: „Ein Kettenfahrzeug, das wesentlich größer ist als eine Pistenraupe.“
Auch der Nachhaltigkeit hat sich Kässbohrer angenommen: „Es gibt Pistenraupen mit dieselelektrischem Antrieb. Da treibt ein Dieselmotor zwei Generatoren an. Die Kosten für das Gerät sind zwar höher, aber es spart 20 Prozent Sprit, hat ein besseres Drehmoment und ist leiser. Die Nachfrage steigt“, sagt Müller. Und wie lange hält so ein Pistenbully? „Zu lange“, meint er mit einem Schmunzeln: „Wenn man ihn pfleglich behandelt, hält er eine Ewigkeit.“
Die nächste Möglichkeit, am Hintertuxer Gletscher einen Pistenbully zu steuern, gibt es Ende April 2019. Die Aktion ist kostenlos, aber Teilnehmer benötigen ein Ticket, um auf die Gefrorene Wand zu kommen (34,50 Euro für Berg- und Talfahrt).