Ski Trips

Mit Benni Raich die Streif hinauf

Guide Benjamin Raich im Zielhang der Streif @ Skiing Penguin
Guide Benjamin Raich im Zielhang der Streif @ Skiing Penguin

Um die Wandersaison in Kitzbühel prestigeträchtig zu öffnen, spazierte Benni Raich mit 50 mehr oder weniger großen Ski-Fans die Streif bergauf. Unterwegs blieb Zeit für Fragen, Fakten und vor allem Fotos. Der Techniker aus dem Pitztal stand selbst fünfmal am Start der legendären Abfahrt. 

Benni Raich, der Philosoph: „Skisport ist wie das Leben“, sagt der Olympiasieger, Weltmeister und Gesamtweltcupsieger an der Ausfahrt Steilhang auf der Streif in Kitzbühel. Ihm lauscht andächtig eine Gruppe von 50 Hobbywanderern und ein klein wenig mutet die Szenerie wie eine Bergpredigt an. Der Held erzählt, die Fans horchen gebannt. Zur offiziellen Eröffnung der  Wandersaison in Kitzbühel lud die Gamsstadt Benjamin Raich als prominenten Guide ein. Der Ex-Profi soll mit einer Gruppe Freizeitsportlern die berühmt-berüchtigte Streif abgehen – von unten nach oben. Dem Aufruf folgen allerdings nicht nur Fans der Tiroler Skilegende: Anders sind Fragen wie „Bist du gebürtiger Kitzbüheler?“ oder „Liegt Rennfahren bei dir in der Familie?“ nicht zu erklären. Der Pitztaler (150 Kilometer westlich von Kitzbühel) nimmt sich während des zweistündigen Aufstiegs aber Zeit für jeden und klärt in aller Ruhe alle Unklarheiten: „Meine Schwester Carina ist auch Rennen gefahren, ebenso wie meine Frau Marlies“, sagt Raich.

Raichs Insiderwissen über die Streif beeindruckt alle, die keine Insider sind. Immerhin verbindet man den 40-Jährigen mehr mit Riesentorlauf und Slalom, als mit der Speed-Disziplin. Irrtum: „Ich hab auch als Abfahrer große Ziele gehabt, als ich zum ersten Mal die Streif gefahren bin“, erinnert er sich an das Jahr 2004, als er 22. wurde. Sein bestes Ergebnis war Platz 10 im Jahr 2006 – damals holte er sich auch den Kombinationstitel. Die Streif bezwang er insgesamt fünfmal, den Slalom am Ganslernhang gewann er 2001.

Benjamin Raich erklärt die Hausbergkante © Skiing Penguin
Benjamin Raich erklärt die Hausbergkante © Skiing Penguin

Der Ganslernhang ist auch nur drei Steinwürfe entfernt, als Raich unter der Hausbergkante zum ersten Mal das Wort an die ganze Gruppe richtet. Er erklärt und deutet, worauf es bei dieser letzten Hochgeschwindigkeits-Schlüsselpassage ankommt und schließt unmissverständlich: „Wenn du bei 140 fliagst, ist das ganz schlecht für den Kopf.“ 30 Minuten später geht der zweifache Papa direkt auf der Hausbergkante noch einmal auf die Stelle ein: „Willst du gewinnen, musst du auf der Hausbergkante Risiko nehmen – und das endet dann oft im Netz.“ Frag nach bei Aksel Lund Svindal, Hannes Reichelt u.v.a.

Benjamin Raich ist geerdet, authentisch, freundlich und weiß genau, was sich seine Begleiter heute von ihm erwarten. Alle, die mit ihm das Gespräch suchen, bekommen auch die Möglichkeit dazu. Zudem vermittelt er jedem den Eindruck, er sei an dem Small Talk auch tatsächlich interessiert. Eine Kunst, die nicht leicht zu beherrschen ist – für Promis wie „Normalos“. So erzählt Raich munter drauf los, was er früher als Profi gerne gefrühstückt hat („eher Breiiges“), was die Konkurrenz so speiste („Bode Miller hat zwischen den Durchgängen schon einmal einen Burger verdrückt“), wie gut es seinen Kids auf ihrer ersten Flugreise gegangen ist und wie sehr er sich über so manche Baubewilligung in Tirol wundert.

Fast jeder der 50 Teilnehmer holte sich ein Erinnerungsfoto © Skiing Penguin
Fast jeder der 50 Teilnehmer holte sich ein Erinnerungsfoto © Skiing Penguin

Noch wichtiger als Plaudereien scheint der Gruppe aber das Bilddokument zu sein. Zwischen 7 und 70 – gefühlt jeder holt sich sein Selfie mit Benni Raich, der zudem über ein bemerkenswertes Kameralächeln verfügt. Überhaupt fällt auf, dass manche der Wanderer ihr Handy den gesamten Aufstieg nicht aus der Hand nehmen – obwohl natürlich kein einziges Telefonat geführt wird.

Vorbei am Lärchenschuss, der Seidlalm mit ihrem Sprung, an Alter Schneise, Gschöss und Brückenschuss flößt plötzlich der Steilhang allen riesigen Respekt ein, denn spätestens wenn man an seinem Fuße steht, ist jedem ersichtlich, dass er den Namen nicht umsonst trägt: „Sind wir jetzt da, wo Bode Miller auf das Netz raufgefahren ist?“ wird gefragt. „Nicht nur der“, antwortet Raich. Der Steilhang geht nicht nur im Winter bergab an die Substanz, sondern auch im Sommer bergauf – und das trotz des verhältnismäßig luxuriösen Pfades. Oben angekommen wird das Panorama nicht weniger beeindruckend, denn auf einmal sieht man sie vor sich: die tückische Mausefalle mit ihrem verrückten Gefälle. An ihr führt aus Vernunftsgründen kein Pfad mehr nach oben – sie wird gemütlich umwandert ehe sich der Blick auf das Starthaus richtet.

Hier schließt sich der Kreis von Benni Raichs Metapher „Der Skisport ist wie das Leben“ – mit seinen gefährlichen Passagen, ruhigen Gleitstücken, wilden Sprüngen, bitteren Verletzungen und traumhaften Triumphen. Das Starthaus war an diesem Tag übrigens einer geschlossenen Gesellschaft vorbehalten. In der für viele „heiligen Hütte“ fand der Auftakt in einen neuen Lebensabschnitt statt: eine Hochzeitsparty.

Eine Legende auf einem legendären Hang. Im Hintergrund Kitzbühel © Skiing Penguin
Eine Legende auf einem legendären Hang. Im Hintergrund Kitzbühel © Skiing Penguin

1000 Kilometer Wandern

Der Vormittag mit Benjamin Raich war der offizielle Start in die Wandersaison in und um Kitzbühel. Und natürlich steht diese spezielle Route allen offen. Das vier Kilometer lange „Streif Viewing“ ist binnen zwei Stunden in beide Richtungen zu bewältigen und bietet unterwegs an vier großen LCD-Screens Zusatzinfos über das Hahnenkammrennen. Daneben gibt es noch 996 weitere beschilderte Wanderwege: „Wandern ist in den letzten Jahren wieder cool geworden“, sagt Signe Reisch, Präsidentin von Kitzbühel Tourismus. „Kaum etwas ist gesünder als frische Luft und wenn man Glück hat, führen einen unsere Wanderwege auch dahin, wo es kein WLAN mehr gibt“, ergänzt sie augenzwinkernd.

Neu sind in Kitzbühel die digitale Wandernadel (SummitLynx App), der Gamstrail mit den Distanzen sechs, 20 und 32 Kilometer am 22. September und Thementage wie die Haubenköche-Wanderung von Karl und Martina Hohenlohe (15. bis 17. Juli) und die Bergwelten-Wanderung am 15. September. Nach erfolgreicher Premiere im Vorjahr ausgeweitet wird die Wanderung mit den Stars aus „Soko Kitzbühel“– heuer am 1. Juli und 25. August. Die Wirtschaftswanderung steigt von 28. bis 29. September.

Entlang der Streif (hier die Mausefalle) stehen vier LCD-Screens © Skiing Penguin
Entlang der Streif (hier die Mausefalle) stehen vier LCD-Screens © Skiing Penguin