Marcel Hirscher rief und rund 90 Journalisten aus dem In- und Ausland kamen seiner Einladung an den Salzburger Fuschlsee nach. Zu verkünden hatte der 29-Jährige immerhin, dass er auch in Zukunft Ski fahren wird. Im Vergleich zur Botschaft, war das turbulente Drumherum schon bemerkenswerter.
Es ist Anfang Juli und der Ski-Weltcup ist nicht nur meteorologisch ganz weit weg. Das Interesse der Sportwelt fokussiert sich dieser Tage in erster Linie auf die Fußball-WM in Russland und die „Nebenschauplätze“ Wimbledon sowie Formel 1. Lädt allerdings Marcel Hirscher zum Sommergespräch ins „Schloss Fuschl“ nach Fuschl am See, ist der Ausnahmestatus des Doppel-Olympiasiegers und siebenmaligen Gewinner des Gesamtweltcups augenscheinlich: Rund 90 Journalisten aus zehn Ländern nehmen den Weg nach Salzburg auf sich. Es sind doppelt so viele wie in den Jahren davor und das europaweite Interesse hat einen Grund. Die österreichische Journaille fragt sich genauso wie ihre Kollegen aus Deutschland, Italien, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Polen, England, Norwegen und den Niederlanden: „Tritt Marcel Hirscher heute zurück?“
Gastgeber im 1461 als Jagd-Domizil errichteten Schloss am Fuschlsee ist das „SalzburgerLand“ und Geschäftsführer Leo Bauernberger zeigt sich dem internationalen Publikum gegenüber besonders gastfreundlich: Sowohl seine Begrüßung als auch jene von Hirscher-Manager Stefan Illek gibt es auf Englisch – und „nur“ auf Englisch. Als „Jagdhütte“ wäre das Areal heute etwas überdimensioniert, inzwischen ist das malerische Schloss auch ein Luxus-Hotel, in dem an einem Tag wie diesen trotzdem ein Energydrink omnipräsent ist. Auf keinem Tablett, auf keinem Tisch fehlen die „Summer Editions“ aus dem Hause Red Bull, dessen Headquarter auf der gegenüberliegenden Seeseite liegt.
Nach der Begrüßung geht es auf zur „Schlossfischerei“ und der kurze Spaziergang wirkt wie eine kleine Gruppen-Pilgerreise zu einem Ski-Heiligen, der gleich verkündet, wohin denn sein Weg führen werde. Die Tische am Ufer sind reichlich gedeckt, doch noch hat (fast) keiner der Journalisten Augen für Forelle, Speck, Käse und Brot. Jeder erwartet die Ankunft des Superstars, der gleich um die Ecke biegen müsste. Untrügliches Zeichen, dass es denn nun soweit sei, sind nicht nur hektisch in Richtung Eingang eilende Fotografen und Kameraleute, sondern auch die ersten Selfie-Wünsche kurz vor der „Schlossfischerei“: Auch einige Hotelgäste haben Hirscher entdeckt und ihre Handys gezückt.
Auf der Bühne erwarten den 29-Jährigen nicht nur seine Weltcupkugeln und die Goldmedaillen aus Pyeongchang, sondern auch wieder Leo Bauernberger und eine kleine Überraschung. Dem Markenbotschafter des „SalzburgerLandes“ wird nicht nur ein Bild des Untersberges geschenkt, die Übergabe übernimmt gleich der Maler persönlich. Und dabei wird Johann Weyringer selbst zum authentischen Fan: „Freut mich, dass wir uns so kennengelernt haben. Das ist kein Scheiß nicht“, platzt es aus dem Künstler hervor, der sichtlich mehr gerührt ist, als der Beschenkte selbst.
Der Programmpunkt, worauf alle Journalisten warten – zumindest jene ohne Radio- bzw. Fernsehmikrofon –, nennt sich „Tischgespräch“ und ist in einem solchen Rahmen besonders skurril: Hirscher setzt sich – für einige Kollegen eher unerwartet – zu einem der vier Tische und plötzlich liegen etwa acht Smartphones und drei Aufnahmegeräte vor ihm. Wer bereits zuvor an just jenem Tisch Platz genommen hatte, ist im Glück. Wer diesen Moment verpasst hat, sitzt nun entweder schlecht, weil weit vom Superstar weg oder – noch schlechter – ergattert nur mehr einen Stehplatz in zweiter oder dritter Reihe. Eine schlechte Platzierung ist allerdings kein Problem, solange zumindest das „Tonband“ vor Hirscher läuft. Um Fragen, muss man sich in solchen Momenten nicht sorgen. Einem der immerhin 30 Journalisten um einen Tisch fällt immer etwas ein.
An den zwei Eingängen zur „Schlossfischerei“ wartet inzwischen eine Gruppe Schüler und die Verantwortlichen versichern, dass man die Kinder nicht extra bestellt hätte, um nette Fotos beim Autogramme schreiben zu ermöglichen. Stimmt, die SMS (Sportmittelschule) Oberndorf kam tatsächlich zufällig an ihrem Wandertag vorbei und harrt nun der Entwicklungen. Schon 20 Minuten beobachten die Teenager jede Regung Hirschers, stets in Erwartung, er stünde endlich auf und komme zu ihnen. Viel Zeit bleibt der SMS Oberndorf nämlich nicht mehr, denn man müsse zum Bus, sagt ein Lehrer. Die Nachfrage bei Manager Stefan Illek sorgt für eine kleinen Dämpfer: „Marcel hat noch ein paar Stunden zu tun und kann leider nicht kommen.“ Einige Autogrammkarten spenden Trost, aber so kann zumindest der Bus pünktlich erreicht werden.
32 Minuten dauert Marcel Hirschers Plauder(halbe-)stunde am ersten Tisch, danach sind die englischsprachigen (Print-) Journalisten dran. An Szenen aus der Schule erinnert auch das immer wiederkehrende „Pssst“ eines Aufpassers. Denn wer gerade nicht mit dem Skiprofi spricht oder ihm lauscht, neigt zum Schwätzen und solch ein freches Betragen wird nicht lange geduldet. Hirscher wiederum zeigt sich völlig entspannt und beantwortet natürlich eine Vielzahl an Fragen auch unzählige Male: Denn wie es mit seiner Karriere weiterginge, wollen nicht nur alle Schreiber en bloc wissen, sondern natürlich auch alle Radio- und Fernsehjournalisten. Nur ihnen muss er in jedes Mikrofon einzeln sagen: „Die Liebe zum Skifahren ist nach wie vor wahnsinnig groß und ich bin noch nicht bereit, aufzuhören.“
Was Marcel Hirscher sonst noch gesagt hat, lest ihr hier.