Persönlicher Service ist im Wintertourismus inzwischen noch wichtiger als Pisten und Lifte, denn deren Qualität ist in Österreich ohnedies nahezu überall sehr gut, sagt Freizeit- und Tourismusforscher Peter Zellmann im Interview. Und in der Relation zum heutigen Angebot, sei das Skifahren gar nicht teuer – im Gegenteil.
Herr Zellmann, verlässlich wie Weihnachten werden auch heuer wieder Artikel über die immer teurer werdenden Liftkarten erscheinen. Wie sehen Sie das?
PETER ZELLMANN: Boulevardblätter begeilen sich gerne an der Massenstimmung à la „Das kann sich keiner mehr leisten“. Nur stimmt die Teuerung nicht. Setzt man Lift- und Hotelpreise von vor 30 Jahren mit dem Verbraucherpreisindex in Relation, dann ist die Preisentwicklung zwar knapp über dem Durchschnitt, aber es gibt Bereiche, die wesentlich teurer geworden sind. So ist etwa die Rezeptgebühr um ein Vielfaches gestiegen. Ski- und Skibekleidung wiederum sind günstiger geworden. Außerdem haben wir in den letzten 30 Jahren eine unglaubliche Qualitätssteigerung bei Pisten und Liften erlebt. Wenn man das miteinbezieht und wissenschaftlich berechnet, ist Skifahren sogar billiger geworden.
Wenn wir nur 20 Jahre zurückblicken: Worin unterscheiden sich Wintersporttouristen aus dem Jahr 1998 von jenen im Jahr 2018?
PETER ZELLMANN: Sie sind bequemer und anspruchsvoller geworden. Die immer verbesserten Angebote an Pisten und Aufstiegshilfen haben es mit sich gebracht, dass die Winterurlauber verwöhnt und ihre Erwartungshaltungen sehr hoch geschraubt wurden.
Und sonst?
PETER ZELLMANN: Ansonsten hat sich nicht so viel verändert, wie das die Lifestyle-Berichterstattung gerne hätte. Im Großen und Ganzen bleibt es beim Gleichen, aber das ist eben nicht wirklich überschriftentauglich. Im Winter ist in Österreich das Skifahren nach wie vor die entscheidende Hauptmotivation und alles, was an sogenannten Trends und Modewellen dazukommt, kann und soll ergänzen. Es ist aber nur für eine relative Minderheit, für junge Menschen, die Abwechslung wollen. Snowparks, Funslopes, Tubes, Halfpipes oder ähnliches können das Skilaufangebot mit allem, was dazu gehört, bei weitem nicht ersetzen.
Ärgert einen Wissenschaftler die Lifestyle-Berichterstattung?
PETER ZELLMANN: Nein, so etwas ärgert mich nicht. Es wird nur maßlos überschätzt. Alles, was rund um alternative Angebote und die angebliche „Zukunft des Wintertouristen“ angekündigt wird, hat natürlich einen wirtschaftlichen Hintergrund der Produzenten. Es ist nicht so sehr die tatsächliche Bedürfnislage der Menschen, sondern es ist schon mehr von außen vorgeschlagen – um es positiv zu formulieren. Zuerst wird das Angebot geschaffen und ein Bedürfnis geweckt und – siehe da – besonders junge Menschen nehmen diese neuen Möglichkeiten gerne war.
Welche Nachteile orten Sie darin?
PETER ZELLMANN: Diese Entwicklung wird im Gesamtangebot der Tourismuswirtschaft überschätzt. Es verunsichert viele kleinere Skigebiete ebenso wie kleinere Hotels, weil man glaubt, die Konkurrenz habe einen abgehängt und man komme nicht mehr mit. In größeren Skigebiete braucht es solche Angebote natürlich und sie sind auch vernünftig, aber man muss die Investitionen abwägen. Als Grundlagenforscher ist mein Rat an die Anbieter, sich Ausgaben gut zu überlegen und selbige eventuell auch aufzuschieben. Zurückrudern kann man nämlich nicht mehr, wie man an der hohen Pistenqualität und den modernen Aufstiegshilfen in Österreich sieht. In dieser Dichte wird das kaum in einem anderen Land angeboten. Deshalb heißt es vorsichtig sein, nun auch bei den alternativen Angeboten immer mehr zu investieren und so die Erwartungshaltung immer höher zu schrauben. Snowparks, Funslopes, Tubes, Halfpipes etc. sind ein Nice-to-have, aber nicht unbedingt ein Must-have.
Das heißt aber auch, dass ein Österreicher zum Skifahren seine Heimat nie verlassen müsste, so hoch ist hierzulande die Qualität.
PETER ZELLMANN: Absolut! Das Angebot ist schon fast zu hoch. Spätestens bei den beheizten Sitzen haben sich viele Gäste überlegt, ob das denn noch wirklich notwendig sei. Der Bubble war noch eine unbestritten vernünftige Entwicklung, aber spätestens bei der Sitzheizung muss man sich fragen, ob man nicht spätestens da begonnen hat, ein bissl zu übertreiben. Aber solange es sich rechnet, ist es richtig. Nur ehe sich Liftgesellschaften dadurch in Schulden stürzen, nur weil man glaubt Sitzheizungen haben zu müssen, sollte man sich mit tatsächlichen Bedürfnislagen der Menschen vielleicht mehr auseinandersetzen als mit der Weiterentwicklung der Infrastruktur.
Was sagen Sie einem Unternehmer, der im Jahr 2018 sein Hotel aufsperrt, auf die Frage: „Herr Zellmann, welchen Fehler soll ich unbedingt vermeiden?“
PETER ZELLMANN: Keine Zeit für die Gäste zu haben und Dienstleistungen outzusourcen. Es ist die Haupt-Todsünde im Tourismus, dass Anbieter glauben, man könne den persönlichen Kontakt mit dem Gast durch eine App, eine Website oder Textbausteine ersetzen. Das Frühstück etwa gehört zum Um und Auf der Gästebetreuung und währenddessen müssen Chefs oder – falls sie keine Zeit haben – nahezu chefgleiche Mitarbeiter persönlich für die Gäste da sein: Mit Erkundigungen nach dem Befinden sowie Ratschlägen und Tipps, die nicht aus dem Katalog oder einer App entstammen, sondern der persönlichen Erfahrung. Du musst dem Gast das Gefühl geben, ihm wirklich zuzuhören und nicht nur routinemäßig. Das ist Qualität, das begeistert die Menschen und macht sie zu Stammgästen – auch heute noch.
Lässt sich durch Service mehr punkten als mit Pisten?
PETER ZELLMANN: Die personenbezogene, individuelle Gästebetreuung wird immer wichtiger weil – Hand aufs Herz – das Pistenangebot ist eigentlich von der Steiermark bis Vorarlberg sehr gut. Das Merkmal der Wertschöpfung wird die personenbezogene Dienstleistung. Und wer nicht gerne mit Menschen und ihren Wünschen sowie Problemen zu tun hat, sollte einen Tourismusbetrieb gar nicht erst andenken.
Peter Zellmann ist Leiter des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung in Wien. Von ihm stammt u. a. das Buch „Die Urlaubsrepublik. Die Zukunft des Tourismus in Österreich“ (2015, Manz Verlag). Sein aktuelles Werk heißt „Du hast fünf Leben!“ (2018, Manz Verlag).