Sein Stern scheint binnen weniger Tage aufgegangen zu sein: Der 21-jährige Bulgare Albert Popov fuhr in Kitzbühel und Schladming mit hohen Startnummern in die Top 10 und steht nun bei der WM in Åre und anschließend „daheim“ in Bansko vor den größten Rennen seines Lebens. Wichtigen Anteil an seinem Durchbruch hat sein verstorbener Coach Drago Grubelnik.
Es war der 26. Jänner 2019 als nur mehr eingefleischte Slalom-Fans den 1. Durchgang am Ganslernhang Kitzbühel ausharrten. Immerhin schneite es seit den frühen Morgenstunden nicht nur dicke Flocken, sondern auch ununterbrochen und auf der Strecke befand sich bereits Startnummer 71. Doch plötzlich hatte das apathische Zusehen ein Ende, denn ein Mann aus Bulgarien schickte sich an, nach der Führung zu greifen. Die Fans wurden lauter und feuerten den scheinbaren Exoten an, die Stadionsprecher wurden aufgeregter, sie konnten die Zwischenzeiten kaum glauben und im Ziel schwang Albert Popov tatsächlich als Fünfter ab. Dass dem 21-Jährigen kein einmaliger Lauf ausgekommen ist, bestätigte er wenig später, denn er verließ Kitzbühel als Neunter und landete in Schladmings Nightrace auf Platz sechs. Nun stellt er sich bei der Weltmeisterschaft in Åre den Herausforderungen Riesentorlauf und Slalom.
Dass Albert Popov aus Sofia in der Weltspitze mitfährt, ist auf den ersten Blick überraschend. Auf den zweiten hätte man es vermuten können, denn immerhin handelt es sich bei ihm um einen zweimaligen Sieger der „Trofeo Topolino“, einem der prestigeträchtigsten internationalen Kinderrennen (für Talente zwischen 11 und 14 Jahren). Hier gewannen einst (Riesentorlauf oder Slalom) Mikaela Shiffrin, Dominik Paris, Henrik Kristoffersen, Anna Veith, Beat Feuz und Lara Gut sowie ganz früher Marc Girardelli oder Hans Knauß. Teenager Albert Popov holte sich seine Titel im Slalom 2012 und 2013.
Seinen Sieglauf bei „Trofeo Topolino“ im Altern von 14 seht ihr hier:
Im Weltcup fährt der 1,64 Meter große Athlet seit 2014 und schon ein Jahr später widerfuhr ihm ein schwerer Schicksalsschlag: Er überlebte einen Autounfall in Sölden verhältnismäßig leicht verletzt, der Lenker jedoch verstarb. Es war sein Trainer Drago Grubelnik, einst selbst Slalomprofi aus Slowenien. Für Albert Popov war der Unfall gleichsam irreal wie prägend: „Der Unfall fühlt sich für mich wie ein Albtraum an, nicht wie etwas, das tatsächlich passiert ist. Trotzdem ist Drago gegangen und wir können es nicht ungeschehen machen“, sagt Albert Popov im Interview. Es vergeht aber kaum ein Tag, an dem er nicht an seinen Trainer denkt: „Ich hoffe, er sieht uns zu und ist stolz auf meine Leistungen. Drago ist für einen großen Teil meines Weges zu den jüngsten Resultaten mitverantwortlich.“
Skifahren gelernt hat Albert Popov im Witoschagebirge südlich seiner Heimatstadt Sofia. Auch das war keine Überraschung, zumindest innerhalb der Popovs. Schon die Mama fuhr Rennen, Schwester Aleksandra gehörte der Nationalmannschaft an und die fünfjährigen Zwillinge Adel und Violeta gelten schon jetzt als vielversprechende Talente.
Das Training absolviert Albert Popov übrigens zusammen mit den Herren des Deutschen Skiverbandes: „Das ist großartig“, findet der sympathische Techniker. „Sie akzeptieren mich als Teil ihres Teams und dafür bin ich ihnen sehr dankbar.“ Die Frage, ob er denn im Training schon schneller sei als Felix Neureuther und Co beantwortet er mehr als diplomatisch: „Lass es mich so sagen: In den Trainings bin ich nicht der Schnellste.“
Im Februar erwarten Albert Popov gleich zwei absolute Karrierehöhepunkte. Zuerst die Weltmeisterschaft in Åre, anschließend die Heimrennen in Bansko. Was ist ihm wichtiger? „Der WM-Slalom ist eines meiner wichtigsten Rennen in dieser Saison. Zudem werde ich eine so gute Startnummer haben wie noch nie heuer. Bansko blicke ich schon aufgeregt entgegen – vor allem, weil es mein Zuhause ist.“ Dass sein Stern just auf den anspruchsvollen Hängen von Kitzbühel und Schladming aufgegangen zu sein scheint, erklärt er sich so: „Ich habe für diese Ergebnisse hart und eine lange Zeit gearbeitet und ich war stets zuversichtlich, sie erreichen zu können. Möglicherweise haben mir bis dahin einfach diese zehn Prozent Glück gefehlt, die es braucht. Aber ich mag es auch, wenn ein Kurs schwierig ist, dann fühle ich mich richtig wohl.“
Das Interesse an seiner Person in der Heimat konnte Albert Popov erst heuer wecken: „Bulgarien war am Weltcup nicht sehr interessiert – bis zu meinen Rennen in Kitzbühel und Schladming. Jetzt spüre ich, dass die Menschen daheim stolz auf mich sind. Sie freuen sich auf die Heimrennen in Bansko und verfolgen auch die Rennen in Åre.“
Albert Popov ist freilich nicht der erste Ski-Profi Bulgariens. Das Land brachte sogar einen Weltcupsieger hervor. Petar „Pepe“ Popangelow holte sich 1980 den Slalom von Lenggries. Und nachdem der Skisport einen mehrjährigen Dornröschenschlaf einlegte, sorgten zwei Vorarlberger für eine Neubelebung: Erst Kilian Albrecht, der zwischen 2006 und 2011 seine Rennen für Bulgarien bestritt, und schließlich Marc Girardelli, der seit 2016 Eigentümer des Skigebiets Bansko ist. Nun also Albert Popov: „Es macht mich stolz und glücklich, eine Art Botschafter für mein Heimatland zu sein, um den Skisport in Bulgarien wieder populärer zu machen.“