Der Kitzbüheler Mario Mittermayer-Weinhandl verantwortet die Hahnenkammrennen zum zweiten Mal als Rennchef. Im Interview spricht er über Gelassenheit, verzichtbaren Schneefall, seinen Ex-Schützling Linus Strasser und die Ingredienzien für einen kompletten Athleten.
Herr Mittermayer-Weinhandl, es ist ihr zweites Jahr als Rennchef der Hahnenkammrennen. Sind Sie diesmal lockerer?
MARIO MITTERMAYER-WEINHANDL: Ja, natürlich. Man kennt die Abläufe und weiß, was auf einen zukommt. Außerdem kenne ich die Mannschaft am Berg besser. Insofern ist es heuer schon etwas entspannter.
Kann Sie auch das Wetter nicht beunruhigen?
MARIO MITTERMAYER-WEINHANDL: Laut Prognose ist kein Wärmeeinbruch zu erwarten. Es bleibt zwar zu mild für Januar, aber die Nächte sind so kalt, dass die Piste friert und auch über den Tag nicht viel passieren kann. Mit Schneefall muss man immer rechnen, aber wir wünschen es uns nicht.
Warum ist es so schlecht, wenn es auf eine Weltcupstrecke draufschneit?
MARIO MITTERMAYER-WEINHANDL: Im Naturschnee ist sehr viel Luft und es ist ein riesiger Aufwand, so eine Piste in einen kompakten Zustand zu versetzen. Im Weltcup und Europacup braucht es kompakte Pisten. Das hat mit dem Material und der Athletik zu tun. So wird etwa von den Läufern in den Kurven so großer Druck ausgeübt, dass eine kompakte, verdichtete Piste elementar ist. In einer vom Himmel fallenden Schneeflocke ist sehr viel Luft, technischer Schnee setzt sich aus Schneekörnern zusammen. Das heißt, er fällt sehr dicht und dadurch ist der Schnee kompakter. Das macht die Piste für den Rennläufer letztendlich sicherer.
Die Hahnenkammrennen finden heuer zum 80. Mal statt. Bedeutet Ihnen diese Zahl etwas?
MARIO MITTERMAYER-WEINHANDL: Ganz ehrlich? Daran verschwende ich keinen Gedanken. Ich lese es zwar in den Medien immer wieder, aber bei der Arbeit am Berg berührt mich das nicht.
Wo steht der Rennchef eigentlich während der Abfahrt?
MARIO MITTERMAYER-WEINHANDL: Ich bin letztes Jahr an der Querfahrt unter der Hausbergkante gestanden und heuer auch wieder.
Man stelle sich vor, ein Österreicher fährt auf Platz 1: Dürften Sie ihre Freude ganz offen zeigen?
MARIO MITTERMAYER-WEINHANDL: Ich denke nicht, dass ich mich im Zaum halten muss und ich meine Emotionen sehr wohl zeigen kann. Natürlich freut man sich, wenn ein Österreicher in Österreich gewinnt, aber unheimliche Freude bereiten mir auch Gänsehautmomente. Denken wir an die Fahrt von Didier Cuche oder Stephan Eberharter. Da ist mir die Nation völlig egal, weil ich einfach die unglaubliche Leistung bewundere.
Sie waren früher Privattrainer des deutschen Slalomspezialisten Linus Strasser, der in den letzten Wochen immer besser wurde. In Zagreb wurde er Siebter, in Adelboden Sechster.
MARIO MITTERMAYER-WEINHANDL: Endlich hat es Linus auf die Reihe gebracht. Jetzt auch mental, denn er war immer ein hervorragender Skifahrer. Abgesehen von jungen Ausnahmen wie Clément Noël und Alex Vinatzer, scheint es im Weltcup inzwischen bis etwa Mitte 20 zu dauern, bis du ein gestandener Athlet bist.
Ist das letzte, was oft zu einem kompletten Mosaik eines Athleten noch fehlt, die Psyche?
MARIO MITTERMAYER-WEINHANDL: Ja, sehr oft ist es der Kopf. Ein Beispiel: Der erste Durchgang gelingt und ich bin vorne dabei, dann muss ich es schaffen, auch im 2. Durchgang an meine Grenzen zu gehen. Man hört den Satz während den Übertragungen aber immer wieder: „Er will einfach ins Ziel kommen. Er will die Punkte runterbringen.“ Die richtig guten Läufer bewegen sich aber immer am Limit. Das ist letztendlich auch die sicherste Variante. Nur dann stimmen die Mechanismen. Aber du musst dich das in solchen Situationen auch trauen, wieder ans absolute Limit zu gehen. Das ist oft ein langer Prozess.
Die sicherste Variante ist es, sich am Limit zu bewegen?
MARIO MITTERMAYER-WEINHANDL: Ja, das ist so. Dann sind die Sinne geschärft. So sieht ja auch das tägliche Training aus. Ich muss mich immer an der Grenze bewegen, um mein Limit nach oben zu schrauben. So entstehen Automatismen. Wenn ich diesen Weg im Rennen verlasse und etwa beginne, runder zu fahren oder das Timing zu verändern, nur um sicher ins Ziel zu kommen, dann geht das zumeist schief. Dann ist der Lauf verbremst oder es passiert ein Einfädler.
Mario Mittermayer-Weinhandl ist in Reith bei Kitzbühel aufgewachsen. Obwohl er Abfahrer werden wollte, hat es mit der Skikarriere zunächst nicht geklappt. Über einen Ausflug zum Eishockey (auch in die Nationalliga) führte ihn sein Weg über die Skilehrer- und Trainerausbildung als Kinder- und Schülertrainer zum Kitzbüheler Skiclub. 2004 wechselte er zum Deutschen Skiverband, wo er die FIS- und Europacup-Damen und später die Weltcup-Herren gecoacht hat. Anschließend hat Mittermayer-Weinhandl den deutschen Techniker Linus Strasser von 2009 bis 2015 als Privattrainer betreut, den er noch von seiner Zeit im KSC kennt.
Die Leidenschaft für das Radfahren begleitet den Kitzbüheler ebenfalls seit Kindestagen. Als gelernter Zimmerer arbeitete er als Mechaniker in einem Radladen und fuhr auch selbst Rennen. 2009 eröffnete Mittermayer-Weinhandl seinen eigenen Radladen in Aschau im Chiemgau, wo er auch mit seiner Familie lebt.