Nach seinem spektakulären Sturz 2019 möchte Alex Köll die Streif heuer zur Gänze bezwingen. Im Abschlusstraining landete der gebürtige Osttiroler, der seit 2009 für Schweden startet, auf Platz 25. Im Interview spricht er über den langen Weg, Schwedens Speed-Team wieder größer und konkurrenzfähig zu machen, seinen Traum von Peking 2022 und die Rolle der Medien.
Platz 25 im Abschlusstraining, die Hahnenkammwoche hat für Alex Köll schon einmal gut begonnen: „Richtig cool, dass ich in Kitz zum ersten Mal unter den Top 30 bin – auch wenn es nur ein Training war. Aber ich habe noch Reserven“, bilanziert der 29-jährige Osttiroler, der seit 2009 – kurz nach dem Schulabschluss in Bad Hofgastein – für sein zweites Heimatland Schweden fährt. Vor einem Jahr noch stockte vielen im Zielraum kurz der Atem, als Alex Köll auf der Traverse böse stürzte. Aber die Bilder waren schlimmer als die Diagnose.
Der Wechsel nach Schweden war für den gebürtigen Matreier keine Flucht. Einerseits fehlte ihm vor elf Jahren noch die Qualität, um beim ÖSV anzuklopfen, andererseits ist er halber Schwede. Seine Mutter stammt aus Landskrona im Süden und er wuchs auch zweisprachig auf: „Unsere Au-pair-Mädchen sind so ausgesucht worden, dass sie kein Deutsch gesprochen haben“, sagt er im Osttiroler Dialekt.
Zusammen mit dem 25-jährigen Felix Monsén matcht er sich heuer um den Titel „Schnellster Schwede auf Ski“, aber Alex Köll geht es nicht nur um das Leben seines Traums vom Rennfahrer, er arbeitet gemeinsam mit dem schwedischen Team an etwas größerem: Mit Felix Monsén und Alex Köll an der Spitze arbeitet Schweden am Aufbau eines schlagkräftigen Speed-Teams. Kein leichtes Unterfangen in einem Land, wo seit Ingemar Stenmark in erster Linie der Slalom zählt. Und der langwierige Prozess, Abfahrt und Super-G für den Nachwuchs „sexy“ zu machen, trägt Früchte: Kommende Saison könnte Schwedens Speed-Team schon aus fünf Athleten bestehen.
In Kitzbühel geht für Schweden allerdings nur Alex Köll an den Start. Felix Monsén ist nach einem Sturz noch angeschlagen. Das Ziel lautet: Zum dritten Mal Weltcuppunkte holen.
Herr Köll, wie fühlt sich die Rückkehr auf die Streif nach Ihrem Sturz im Vorjahr an?
ALEX KÖLL: Jeder Abfahrer hat vor der Streif gesunden Respekt und das halte ich auch für wichtig. Aber angst und bange ist mir überhaupt nicht, wenn ich an die Stelle denke.
Schuld am Sturz im Vorjahr waren Sie ja selbst, oder?
ALEX KÖLL: Definitiv. Ich bin zu spitz in die Traverse eingefahren. Ich wollte halt unbedingt auf Zug fahren.
Welche Lehren haben Sie daraus gezogen?
ALEX KÖLL: Nicht mehr so gerade in die Traverse hineinknallen (lacht).
Es war der optisch schlimmste Sturz in Ihrer Weltcup-Karriere. Aber Sie sind glimpflich davongekommen.
ALEX KÖLL: Ich hab ein paar Prellungen am Rücken abbekommen und die Patellasehne war eingerissen, aber das war kein großes Problem. ,Sporttherapie Huber und Mair’ in Innsbruck hat mich kurzfristig so perfekt versorgt und wir haben sofort mit der Therapie begonnen. Es war ja eine Woche später schon die Heim-WM in Schweden. Und da ist mir mit Platz 20 im Super-G mein bis dahin bestes Ergebnis geglückt. In der Kombi-Abfahrt bin ich 10. geworden. Für mich war die WM in Åre sehr erfolgreich – auch angesichts des Crashs.
Weil Sie „Heim-WM“ gesagt haben: Wie daheim ist Schweden für Sie?
ALEX KÖLL: Sehr daheim! Ich bin halber Schwede, denn meine Mutter stammt aus Landskrona in Südschweden. Unter der schwedischen Flagge und unter der Anwesenheit der Königsfamilie eine Heim-WM in Åre zu bestreiten, war für mich schon sehr speziell.
Wie sind Sie damals zum schwedischen Skiverband gekommen?
ALEX KÖLL: Ich bin zwar für Österreich gestartet, aber nie für den ÖSV. Und nach dem Abschluss der Ski-Hotelfachschule Bad Hofgastein ist es Thema geworden, dass ich für Schweden starten könnte. Der Verbandswechsel war als halber Schwede kein Problem.
Der ÖSV wollte Sie nicht halten?
ALEX KÖLL: Nein. Aber damals war ich bei weitem nicht so stark, dass das überhaupt infrage gekommen wäre.
Glauben Sie, dass Sie Ihren Traum Skiprofi zu sein als Schwede länger leben dürfen, als wenn Sie für Österreich an den Start gehen würden?
ALEX KÖLL: Das glaube ich schon. In Schweden hab ich einfach mehr Zeit bekommen mich zu entwickeln, denn früher war ich nicht das größte Talent. Im Gegenteil. Ich bin einfach gerne Ski gefahren, habe einen brutalen Ehrgeiz und bin ein bissl ein Sturschädl. Ich bin dem schwedischen Verband für die Entwicklungszeit, die er mir gegeben hat, sehr dankbar.
Das schwedische Speed-Team ist ja nicht so groß.
ALEX KÖLL: Wir sind zu zweit. Felix Monsén und ich. Felix kann in Kitzbühel nach seinem Crash in Bormio aber leider nicht antreten. Im Nachwuchs und im Europacup sind wir aber super aufgestellt. Da haben wir etwa Olle Sundin, der letzte Woche in Wengen sein Weltcup-Debüt gegeben hat und für top Ergebnisse im Europacup sorgt. Genauso wie Tobias Hedström, der außerdem 2019 Junioren-Weltmeister in der Kombination geworden ist. Durch seine Adern fließt das Blut eines künftigen Abfahrers. Adam Hofstedt hat bei den Youth Olympic Games in Lausanne erst am 10. Jänner Gold im Super-G geholt. Johan Hagberg habe ich auch noch auf der Rechnung, allerdings hat er sich zu Saisonbeginn verletzt. Und Zack Monsén, Felix’ Bruder, ist auch ein riesiges Talent. Also langfristig wird Schwedens Speed-Team größer. Und das ist ja auch der Plan des Verbandes – auch hinsichtlich der Olympischen Spiele.
Der Plan trägt also Früchte.
ALEX KÖLL: Ja, der Plan geht auf. Allein der gestiegene Absatz an Abfahrts- und Super-G-Ski spricht eine deutliche Sprache. Und damit es so bleibt, braucht es Vorbilder im Weltcup und die möchten wir sein.
Aber es braucht wohl Geduld. In Österreich ist man für manche Medien oder den Durchschnittszuseher schnell ein Niemand, gelingt eine Platzierung unter den Top 10 nicht (mehr).
ALEX KÖLL: Vor dem Fernseher zu sitzen und von dort zu analysieren ist immer sehr einfach. Und für den Sprung unter die Top 10 oder Top 3 braucht es natürlich auch eine gute Startnummer. Dafür kämpfen wir Rennen für Rennen. Nehmen wir Kitzbühel als Beispiel: Die ersten 30 fahren unten in der Sonne, dann wird es finster.
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Entwicklung? Geht man nur nach den nackten Zahlen, stehen heuer erst ein 20. Platz in der Abfahrt von Beaver Creek und ein 26. Platz in der Kombination von Wengen auf der Habenseite. Mit 29 Jahren zweimal in den Punkten, da könnte man sagen: Naja …
ALEX KÖLL: Könnte man, ja. Ich sehe das aber anders: Mit 25 Jahren hab ich mein Weltcup-Debüt gegeben und bislang bin ich 18 Weltcup-Rennen gefahren. In 18 Rennen hab ich zweimal gepunktet und im Training gelingt mir immer wieder der Sprung in die Top 30. Weil ich ein Spätentwickler bin, geht meine Entwicklungsstiege auch im Alter von 29 noch immer nach oben. Ich bin gesund und ich fahre gerne Ski, deshalb steht einer langen Karriere nichts im Wege. Und ich weiß, dass ich erfolgreicher werde.
Was sind Ihre langfristigen Ziele?
ALEX KÖLL: Natürlich die WM in Cortina 2021 und die Olympischen Spiele in Peking 2022. Einmal Olympionike zu sein, ist ein großer Traum. Und wie wir alle wissen, ist bei den Spielen alles möglich. Es hat schon bei der WM in Åre nicht viel gefehlt. Letztendlich war ich im Super-G 1,08 Sekunden hinter Gold – das ist für Startnummer 37 nicht viel Rückstand.
Welche Rolle spielen Schwedens Speed-Herren in Schwedens Medien?
ALEX KÖLL: Schon seit Ingemar Stenmark dreht es sich immer etwas mehr um den Slalom. Mir kommt auch vor, dass die Medien mehr die Gefährlichkeit der Abfahrt betonen als die Faszination.
Sie vermissen mediale Unterstützung.
ALEX KÖLL: Von den Zeitungen nicht, die sind immer top-informiert. Das Fernsehen schenkt uns zu wenig Aufmerksamkeit.
Steigt das Fernsehen aus, ehe Sie starten?
ALEX KÖLL: Es wird eher gar nicht übertragen, weil Langlaufen gezeigt wird, und das ist schon schade. Mir persönlich ist das Interesse ja gar nicht so wichtig, ich suche die Aufmerksamkeit nicht. Aber die Präsenz des Sportes an sich ist mir ein Anliegen. Nur so können wir den Abfahrtssport in Schweden groß machen und die Jungen motivieren. Viele meinen ja: „Der fährt ja nur für sich um den 20. Platz herum.“ Ja, es braucht ein paar, die Weltcuppunkte machen. Nur so können wir weitere Startplätze schaffen, damit die Jungen überhaupt starten können. Das spielt für den Verband ja eine riesige Rolle. Felix und ich sind zwar die Spitze einer Pyramide, aber was unten nachkommt, hängt auch von uns ab. Heuer hat zwischendurch schon Olli zu unserem Speed-Team gezählt und nächste Saison sind wir sicher zu fünft. Das hat es in Schweden noch nie gegeben. In der Kombi haben wir jetzt schon vier Startplätze – auch ein Novum. Unser Werkl läuft.