Speed-Spezialist Christopher Hörl sah im ÖSV keine Chance mehr und wechselte den Verband. Seit 2017 fährt er für Moldawien und heuer möchte er sich rund um die Top 30 stabilisieren: „Würde ich für Moldawien meinen ersten Weltcupsieg einfahren, ist das wahrscheinlich genauso schön wie für Österreich“, sagt der 28-jährige Salzburger im Interview.
Wenn seinen Sport etwas auszeichnet, dann ist es – neben der Geschwindigkeit – ein direkter Weg ins Ziel. Und zumindest auf den Pisten liegt Christopher Hörl diese Richtung auch. Abseits davon scheint der Salzburger jedoch komplizierte Ab- und Umwege zu seiner Spezialität erkoren zu haben. So hätte er sich nach der Unterstufe etwa für eine skispezifische Schule entscheiden können – wie es sie auch in seiner Heimat Saalfelden gibt. Nein, Christopher Hörl wollte „unter keinen Umständen Koch oder Kellner lernen, sondern Skiprofi und Ingenieur werden“ und daher besuchte er eine HTL. Nur ging das automatisch mit dem Rauswurf aus Salzburgs Skikader einher. Begründung? Wer eine HTL besucht, kann nur mehr zu den Randzeiten trainieren. Während also aus seinem Jahrgang etwa Anna Veith und Marcel Hirscher an die Skitourismusschule Bad Hofgastein gingen, drückte Christopher Hörl an der HTL für Bautechnik die Schulbank.
Als Schüler trainierte der heute 28-Jährige für sich allein vor und nach dem Unterricht und griff nach der Matura zum Telefon: „Ich hab beim Verband angerufen und darum gebeten, mich wieder aufzunehmen. Im Alter von 20 bin ich mein erstes internationales Rennen gefahren“, erinnert sich Christopher Hörl noch gut. Ab der dritten Saison wurde er immer besser und fuhr 2013 und 2014 die ersten Siege ein: „Dann war ich zweitbester Österreicher im Europacup und hab gedacht, ich würde eine Chance beim ÖSV bekommen. Dem war aber nicht so.” Christopher Hörl glaubt, dass es Quereinsteiger wie er beim Verband immer etwas schwerer haben. Ein weiteres Jahr versuchte er es noch auf eigene Faust, dann passierte ihm am 3. März 2015 der folgenschwere Sturz bei Sloweniens Meisterschaften in Krvavec. Die Verletzung war nicht so schwer, aber die Begegnung mit Hans Frick, der als erster beim Verunfallten eintraf, hatte es in sich. Der gebürtige Fieberbrunner ist gleichzeitig Direktor des Skiverbandes von Moldawien und fragte Hörl, ob er nicht die Landesfarben wechseln wolle. Ja, er wollte.
Um für eine neue Nation starten zu dürfen, durfte der Pinzgauer laut FIS-Reglement allerdings zwei Jahre an keinem Rennen teilnehmen. Seit der vergangenen Saison gehört Christopher Hörl nun wieder zum Rennzirkus und im Dezember 2017 stand er auch zum ersten Mal am Start einer Weltcup-Abfahrt: In Gröden wurde er 68., in Bormio wenig später 58. In Garmisch stürzte er zwar spektakulär, die Olympia-Qualifikation ist ihm aber – dank seiner FIS-Punkte – geglückt. Aus Pyeongchang nahm er in erster Linie Erfahrung mit, im Fokus steht inzwischen längst das anstehende Jahr Nummer zwei von seinem Dreijahresplan.
Herr Hörl, Sie kommen gerade von einem Konditionskurs in Saalfelden. Wer trainiert da mit Ihnen gemeinsam?
CHRISTOPHER HÖRL: Also von Moldawien bin ich der einzige Rennläufer aber ab und zu sind Athleten aus Irland, Japan, der Ukraine und Rumänien dabei.
In diesem Team sind Sie die Nummer 1, oder?
CHRISTOPH HÖRL: Ja, ich bin der Einserläufer und auf mich ist das Programm auch abgestimmt. Mein Trainer Hans Frick, der auch gleichzeitig Direktor des Moldawischen Skiverbandes ist, bestimmt wer da noch mittrainieren darf und wer nicht. Für mich ist das ideal, weil ich mich mit den anderen hervorragend messen kann. Allein trainieren ist immer schwierig – ob auf Schnee oder im Sommer.
Wie schwer war der Wiedereinstieg in das Renngeschehen?
CHRISTOPHER HÖRL: Durch den Nationenwechsel verlierst du alle FIS-Punkte, hast zwei Jahre Stehzeit und fängst dann wieder bei Null an. Das heißt, in der abgelaufenen Saison bin ich bei jedem FIS-, Europacup oder Weltcuprennen immer als Letzter gestartet. Da waren Startzeiten von 15.50 Uhr bis 16.30 Uhr dabei und Startnummern zwischen 90 und 186 – brutale Nummern, brutale Pisten.
Sie haben sich aber schnell wieder in den Weltcup zurückgekämpft.
CHRISTOPHER HÖRL: Das war heuer die schwierigste Aufgabe, denn skifahrerisch hab ich ja ein super Niveau gehabt, nur ist es brutal schwer, wenn du erst vier Stunden nach Startnummer 1 ins Rennen gehen kannst. In Bormio hab ich den Sonnenuntergang beobachtet und bin erst dann um 15.50 Uhr gestartet. Im Ziel hab ich abgeschwungen und dann Athleten gesehen, die mit dem Bademantel aus dem Hotelzimmer gekommen sind.
Ist das nicht frustrierend?
CHRISTOPHER HÖRL: Das hat mich eher gepusht und eigentlich war die Saison für mich zu früh zu Ende, weil ich immer besser geworden bin. Am Schluss hab ich dann auch ein FIS-Rennen gewonnen und in der Weltrangliste hab ich mich auf Platz 117 nach vorne gefahren.
Wie sieht ihr Plan für die kommende Saison aus? Wissen Sie heute schon, wann es für Sie wo losgehen wird?
CHRISTOPHER HÖRL: Wir haben einen Plan A und einen Plan B und die hängen jeweils von meinem Budget ab. Für eine Saison brauche ich 100.000 Euro und die muss ich ich selbst aufstellen. Ist das Budget da, wollen wir so viele Rennen wie möglich fahren. Gelingt es uns nicht, steigen wir Mitte Dezember in Gröden ein und fahren bis dahin so viele FIS- und Europacup-Rennen wie möglich. Die Rennen in Übersee sind finanziell einfach eine riesige Herausforderung und realistisch betrachtet dürfte sich das nicht ausgehen. Starten darf ich im Weltcup in Abfahrt, Super-G und Riesentorlauf, aber unser Fokus liegt auf Speed.
Als Sie damals von Ihrem nunmehrigen Coach die Chance bekommen haben, für Moldawien zu starten, haben Sie lange überlegt
CHRISTOPHER HÖRL: Nein, gar nicht. Außerdem würdest es wahrscheinlich nicht machen, wenn du beginnst lange zu überlegen. Denn du musst für so einen Verbandwechsel viel mehr sein, als nur Sportler – du musst dich auch selbst verkaufen können. Da heißt es dann nicht mehr: ,Hier ist das Budget, jetzt gehen wir Ski fahren‘, sondern du musst dein Budget als Sportler plötzlich selbst aufstellen und finanzierst alles – vom Trainer bis zu den Unterkünften – und erst dann kannst du Ski fahren. Für so etwas brauchst du als Verband einen Athleten, der dieses Gesamtpaket mitbringt.
Wie sehen Sie Ihre Entscheidung im Rückblick?
CHRISTOPHER HÖRL: Es war die mutigste Entscheidung in meinem Leben, denn zwei Jahre nicht fahren zu dürfen, ist für die meisten Rennfahrer wohl unvorstellbar. Du sitzt daheim, bist fit, schaust dir alle Rennen an und darfst nicht am Skizirkus teilnehmen. Alle deine Teamkollegen machen Punkte, schaffen den Sprung in den Weltcup und du musst warten, dass du starten darfst. Dabei solltest aber jeden Tag so trainieren, dass du tags darauf ein Rennen fahren könntest. Das ist mental brutal schwierig.
Wie sehen Mama und Papa Hörl Ihren Weg?
CHRISTOPHER HÖRL: Die sind natürlich meine wichtigsten Förderer, weil ohne Eltern geht gar nichts. Ich bin zwar nicht viel daheim, aber ich kann zuhause wohnen, essen und Wäsche waschen. Eine Wohnung kann ich mir nicht leisten.
Welche Ziele haben Sie für die kommende Saison?
CHRISTOPHER HÖRL: Wir haben einen Dreijahresplan. Das erste – wie ich glaube, das schwierigste – liegt hinter mir und nun folgt Jahr zwei. Heuer möchte ich mich in der Nähe der Top 30 stabilisieren und „lästig“ sein – und natürlich zur Weltmeisterschaft. Im dritten Jahr soll der Sprung unter die Besten schon gelungen sein.
Wie geht es Ihnen mit dem Land, für das Sie an den Start gehen?
CHRISTOPHER HÖRL: Danke, sehr gut. Ich sage immer, ganz egal für welches Land du fährst, in erster Linie geht es um den Sportler selbst. Würde ich für Moldawien meinen ersten Weltcupsieg einfahren, ist das wahrscheinlich genauso schön wie für Österreich. Weil du fährst ja für dich selbst. Ich glaube nicht, dass der Marcel ein Rennen für Peter Schröcksnadel oder Hans Pum fährt – das fährt er immer für sich.
Die Nation als Nebensache.
CHRISTOPHER HÖRL: Ich fände es überhaupt ziemlich cool, wenn sich – als Beispiel – Sponsor X oder Sponsor Y ein paar Athleten aus allen möglichen Ländern einkaufen würden. Die Rennläufer fahren dann vor allem für ihr Team, stammen aber aus Moldawien, Österreich, der Schweiz, Deutschland u.s.w. Das wäre für die Sportler finanziell ein viel größerer Anreiz.
Wie sehen Ihre langfristigen Ziele aus?
CHRISTOPHER HÖRL: Ich möchte das Maximum aus meiner Karriere herausholen. Und mein Trainer schleift mich auch jeden Tag maximal. Körperlich bin ich absolut da, wo ich sein möchte. Jetzt muss ich mich nur technisch noch ein bissl verbessern und eine gute Startnummer haben, dann ist eigentlich viel möglich, denn ich traue mir sehr viel zu.