Der Medientermin mit Österreichs Speed- und Slalomherren war nichts für Stubenhocker: es ging die Kitzbüheler Streif bergauf. Mit dabei war auch Hannes Reichelt, der nach den Dopingvorwürfen sagt: „Jetzt höre ich erst recht nicht auf.“
Wir leben in einem Zeitalter der Inszenierung. In Sachen digitaler Eigenvermarktung oder etwa in der Politik wünscht man sich oft, dass (viel) weniger mehr wäre. Beim Medientermin der ÖSV-Herren am Mittwoch in Kitzbühel ist die Inszenierung für alle Beteiligten von Vorteil: Es geht auf die Streif – zu Fuß und von unten nach oben. So können Journalisten ungeliebte Newsrooms gegen die Natur eintauschen und die Athleten ziehen ihre Streckenbesichtigungen ein paar Monate nach vor. Denn als Training geht die zweistündige Wanderung bei keinem der Skifahrer durch: „Das ist ein nett gemeinter Spaziergang. So etwas mach ich am Wochenende nebenbei“, sagt etwa Manuel Feller, als er frisch und fröhlich an der Mausefalle ankam, während die Journaille tüchtig schnauft oder erst mit minutenlangem Rückstand eintrudelt.
Außer Atem zu sein, ist aber auch keine Schande. Es ist der heißeste Tag des Jahres und für Matthias Mayer, Marc Digruber, Hannes Reichelt und Co geht es auch gerne querfeldein bzw. querfeldhinauf. Warum sollte man die Mausefalle auch umwandern, wenn man das kriminelle Gefälle auch direkt bezwingen kann? Hier wandern keine Urlauber, hier gehen Profisportler einen Berg zügig nach oben. Und wenn man beobachten muss, wie einen Max Franz im Steilhang stehen lässt, macht man sich um die Fitness des Kärntners keine Sorgen mehr. Der Bruch seines Fersenbeines („natürlich“ auf der Streif) liegt immerhin erst sechs Monate zurück. Einzig Marco Schwarz geht es etwas gemütlicher an. Nach seinem Kreuzbandriss wollte er auch beim Wandern auf Stecken nicht verzichten, aber dennoch: „Spätestens in Levi möchte ich am Start stehen.“
Die Slalom-Asse stoßen erst auf der Hausbergkante zur Gruppe um die Speedherren. Vorher widmeten sich Feller, Schwarz, Digruber, Hirschbühl und die jungen Kollegen „ihrem” Ganslernhang. Bringt so eine Streckenbesichtigung im Sommer etwas? „Definitiv“, sagt Christian Hirschbühl, „Man stellt sich im Sommer vor, wie es im Winter aussehen könnte. Und diese Assoziierung ist für den nächsten Slalom sicher positiv.“ Matthias Mayer sieht den „Spaziergang“ etwas anders: „Die Streif haben sicher schon einige gewonnen, die davor nicht heraufgewandert sind, aber es ist sicher nicht schlecht, die Strecke aus einer anderen Perspektive zu sehen.“
Auch Hannes Reichelt strengt nur die Hitze an, nicht die Streckenführung. Viel mehr Spuren hinterlassen haben bei dem Salzburger Dopingvorwürfe: „So etwas verdaut man nicht so schnell und es ist auch noch nicht ausgestanden. Jetzt mit meinem Teamkollegen zu trainieren ist aber eine gute Abwechslung und da kann ich mich wieder aufs Wesentliche konzentrieren: das Training.“ Ans Aufhören dachte der 38-Jährige auch in den letzten Tagen keine Sekunde – im Gegenteil: „Jetzt höre ich erst recht nicht auf. Zuerst beweise ich meine Unschuld, dann kann ich in Ruhe aufhören.“
An die Geschichte von Hase und Igel erinnert unterdessen Rainer Pariasek. Er wanderte bis zum Zielschuss, verschwand und steht plötzlich entspannt und gut gelaunt an der Mausefalle. Sein unverschwitztes Outfit verrät: Der ORF-Moderator zog die Hahnenkammbahn dem „Aufstieg“ vor. Wie übrigens auch die meisten Journalisten mit schwerem Gerät (Kameras). Eine beinah unglaubliche Geschichte erzählt Manuel Feller kurz vor dem Ziel, sprich dem Starthaus: „Für mich ist der Hahnenkamm eine Legende, wobei ich sagen muss, dass ich noch nie auf der Streif war – weder im Winter, noch im Sommer. Das ist heute meine Premiere und es taugt mir voll“, sagt der 26-Jährige, der nur 20 Kilometer entfernt von Kitzbühel in Fieberbrunn zuhause ist. Wie dies? „Ich bin mit zehn Jahren in die Skihauptschule gekommen und dann war ich von daheim weg. Seither ist es sich einfach nie wieder ausgegangen.“ Die Strecke reizt ihn aber massiv: „Es wäre schon ein Ziel, da einmal im Renntempo hinunterzufahren, aber das steht noch in den Sternen.“ Wenig später fällt Manuel Feller einem Überraschungsgast um den Hals und die Menge am Starthaus staunt nicht schlecht, als Felix Neureuther mit seiner Frau Miriam und der Tochter Matilda eintrifft. Rein privat versteht sich, aber wohl nicht ganz zufällig.
Wie man die Streif am besten bezwingt, bringt Werner Franz auf den Punkt, 47-jähriger Trainer und Cousin von Max Franz: „Am schönsten ist es, wenn man auf Ski hinunterfährt und in Führung ist – oder gewinnt.“ Er selbst stand in Kitzbühel achtmal (!) am Podium, aber nie ganz oben.