Was wie ein eine riesige Abenteuerhalle für passionierte Lift-Freaks wirkt, ist eine hochmoderne Ausbildungsstätte von Weltformat für künftige Seilbahntechniker. Wir waren zu Besuch in der Landesberufsschule Hallein zwischen Gondeln, Sesselliften und Schleppern sowie Rollenbatterien, Wälzlager, Tellerfedern und Klemmen.
Am Fuße der Berchtesgadener Alpen, im Salzburger Hallein, liegt eine fußballfeldgroße Halle, in der früher Tampons hergestellt wurden. Bis 2008 stand hier eine überdimensionale Schachtel „o.b.“ vor den Toren. Mittlerweile macht an (beinahe) selber Stelle eine Garnitur der alten Standseilbahn, die vor wenigen Jahren noch auf die Festung Hohensalzburg geklettert ist, deutlich, dass hier wohl keine Hygieneprodukte mehr produziert werden. Ein Klingeln bestätigt den Verdacht. Es ist nicht das klassische Pauseläuten einer Schulglocke, obwohl wir uns auf dem Gelände der Landesberufsschule Hallein befinden. Im Gegenteil, es klingt eindeutig wie das Klingeln einer Gondelbahn, die in Betrieb genommen wird – dieses antiquierte Telefonläuten, das höchstens noch aus Smartphones ewiger Nostalgiker dringt.
Als sich die Türen öffnen, kommt es schließlich zum Vorschein: Das Übungsparadies künftiger Seilbahntechniker. Sessellifte, Schlepper, Zauberteppiche, Seillifte und natürlich Gondeln – alles, was die Seilbahnindustrie in den letzten Jahren auf den Markt gebracht hat. Und jede einzelne Anlage ist in Betrieb. Zumindest während der Unterrichtszeiten der Landesberufsschule (LBS) Hallein, der „Kaderschmiede“ künftiger Seilbahntechniker.
Während die LBS Hallein schon im Jahr 1877 als gewerbliche Fortbildungsschule gegründet wurde, hat der – vielerorts kaum bekannte – Lehrberuf des Seilbahnfachmanns eine deutlich kürzere Geschichte. „2008 ging das Ganze los, denn da wurde die Seilbahner-Lehre komplett aus dem Boden gestampft“, erzählt Schuldirektor Johann Rautenbacher. Die Liftbediensteten, die einst, aber auch noch heute an den Anlagen arbeiten, sind nämlich u. a. gelernte Tischler, Zimmerer, Landwirte oder Elektriker. „Elektrotechnik steckt auch in unserer Ausbildung sehr viel, hinzu kommen aber noch Fächer wie Maschinenbau, Werkstoffkunde und natürlich Aufbau und Funktion der verschiedenen Seilbahnanlagen sowie die Beschneiung“, fasst Rautenbacher den Lehrplan kurz zusammen. Der Schuldirektor und gelernte Maschinenbauer hat selbst in Zusammenarbeit mit den Techniker-Komitees der Seilbahnen die neuen Lehrpläne mitgestaltet.
Während die Vorarlberger Fachhochschule Schloss Hofen seit 2013 das erste Masterstudium „Seilbahnen – Engineering & Management“ anbietet, kann aber nur die LBS Hallein stolz behaupten, über eigene Liftanlagen zu verfügen. Eine Schneekanone und ein Pistengerät befinden sich in der selben Halle, in die beide führenden Seilbahnhersteller, Doppelmayr und Leitner, große Liftanlagen gebaut haben. „Das sind keine Modelle“, stellt Berufsschullehrer Roland Gruber klar, „das sind Bahnen, wie sie in der Praxis auch gebaut werden.“ Aus diesem Grund hat sich Hallein binnen kurzer Zeit als Seilbahnkompetenzzentrum für Österreich, Deutschland und Südtirol etabliert.
Für einhellige Begeisterung hat die Idee des Berufes eines Seilbahnfachmanns jedoch nicht gesorgt. Die Lehre hat eine Entwicklungsgeschichte von über 20 Jahren und ist immer wieder auf Widerstände gestoßen: „Selbst heute wehrt man sich vereinzelt noch dagegen“, erzählt Rautenbacher, der Kostenfaktor und die „Das-haben-wir-immer-schon-so-gemacht-Mentalität“ – sprich: ohne fachgerechte Ausbildung – einiger alter Granden seien ursächlich dafür. „Ja, so eine Anlage kostet immense Summen, aber Nicht-Wissen kostet auch sehr viel Geld, wenn man die Reparaturen bedenkt“, ist der Schuldirektor überzeugt. Die Bahnen sind mittlerweile so hoch technologisiert, dass sie hochqualifiziertes Personal erfordern. „Das Liftlerimage ‚braungebrannt und die Füße am Podest‘ ist heute ja gar nicht mehr möglich“, bestätigt Rautenbacher.
Derzeit befinden sich etwa 200 Lehrlinge in der 3,5 Jahre dauernden Ausbildung: „Rund 60 Schüler beginnen pro Unterrichtsjahr, von mir aus könnten es aber auch 150 sein“, schmunzelt der Schuldirektor, der insgesamt über 1500 Schüler und 50 Lehrer wacht. Nach Hallein geschickt werden die Lehrlinge von den Seilbahnunternehmen, bei denen sie eine Lehrstelle erhalten haben, der Unterricht findet berufsbegleitend in Blöcken statt. „Nach bestandener Lehrabschlussprüfung können die Absolventen für eine Bahn verantwortlich sein oder zusätzlich noch den Lehrabschluss in Elektrotechnik machen“, erklärt Rautenbacher. Der Weg zur Matura steht den Schülern ebenso offen. Genau das plant die 16-jährige Sabrina: „Danach will ich zurück in meine Heimat Gastein als Betriebsleiterin oder angehende Seilbahntechnikerin mit Betriebselektrikerin. Wir sind hier alle gleichberechtigt und machen alle dasselbe“, spielt Sabrina auf den geringen Frauenanteil an. Sie ist aber nicht das einzige Mädchen in ihrem Lehrjahr. Auch die Lermooserin Janina hat sich für die Seilbahntechnik entschieden, weil sie „nie einen Bürojob, sondern lieber oben auf einer Stütze etwas reparieren“ wollte.
„Von Anfang an gab es Damen unter den Lehrlingen und es melden sich ununterbrochen neue an“, berichtet Rautenbacher. Aber auch etwas ältere Herren finden sich in den Schülergruppen. So hat der 48-jährige Hans Pilz, der seit zwei Jahren für die Planaibahnen arbeitet, beschlossen, noch einmal die Schulbank zu drücken. Dass immer wieder Quereinsteiger im höheren Alter an die LBS Hallein kommen, erklärt Direktor Rautenbacher mit der Sicherheit, die ein Lehrabschluss bietet. Deplatziert unter all den Jugendlichen kommt sich der Steirer Hans Pilz nicht vor: „Ich habe den Vorteil, dass es einen zweiten Mitschüler in meinem Alter gibt. Und mit den jungen Leuten gibt es überhaupt keine Probleme, denn die sind alle top drauf. Außerdem verbindet der Wintersport als gemeinsames Hobby.“
Die Freude an der Arbeit im Freien führt viele der Schüler nach Hallein. Sie ist neben einem guten technischem Verständnis, Verantwortungsbewusstsein, Entscheidungsfähigkeit und Selbständigkeit eine der Grundvoraussetzungen für die Ausbildung zum Seilbahnfachmann. Fachspezifisches Wissen wird an den Anlagen in der „Lift-Halle“ vermittelt. Während Rollenbatterien, Wälzlager, Tellerfedern, Klemmen und unzählige andere Bestandteile in Werkstätten zerlegt, analysiert, repariert und wieder zusammengebaut werden, lernen die Schüler den Lift-Alltag in der 5600 Quadratmeter großen Halle kennen. „Neben den beiden kuppelbaren Bahnen von Leitner und Doppelmayr haben wir hier einen Schlepplift mit hoher Seilführung, einen Schlepplift mit niederer Seilführung und ein Förderband“, zählt Roland Gruber die Anlagen im Fachjargon auf – unsereins bezeichnet sie als Schlepper, Seillift und Zauberteppich. Auch eine Standseilbahn und eine Großkabinenbahn sind vertreten, die aber nicht betriebsfähig sind. „Dafür ist die Halle einfach nicht hoch genug“, lacht Rautenbacher.
Neben dem normalen Fahrbetrieb werden in erster Linie Wartungsarbeiten und Reparaturen geübt. „Ein Seilbahntechniker hat in seiner Berufslaufbahn etwa 50 Prozent Fahrdienst und 50 Prozent Revisionsarbeiten“, erklärt Gruber, der vor seiner pädagogischen Karriere zehn Jahre als Betriebsleiter in Bad Gastein gearbeitet hat. In der Lehre kann man sich aber mitunter auch kreativ betätigen, wie ein Projekt von Schülern zeigt. Sie haben eine alte Gondel komplett überarbeitet und wieder funktionstüchtig gemacht. „Das nächste Großprojekt ist eine alte Liftstation, die auf Vordermann gebracht wird“, erzählt Rautenbacher stolz.
Ein erneutes Klingeln schrillt durch die Halle, diesmal ist es aber das typische Pauseläuten. Bei sommerlichen Außentemperaturen genießen die Schüler ihr Mittagessen draußen. Übrigens bietet ein verpflichtender Schwimmkurs auch Abkühlung. Wozu ein Seilbahntechniker kraulen können muss? Beschneiungsanlagen bringen Speicherteiche mit sich …
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