Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht mindestens einmal ein Rettungshubschrauber über Kitzbühel fliegt, um einem verletzten Skifahrer zu helfen. Wir haben das Team des Christophorus 4 besucht, um einen Einblick in deren Arbeit zu bekommen.
Beeindruckend schnell nähert sich der fliegende gelbe Retter Christophorus 4 seinem Stützpunkt zwischen St. Johann in Tirol und Kitzbühel. Ob er auf dem kurzen Weg vom Bezirkskrankenhaus St. Johann zu seinem Hangar seine normale Reisegeschwindigkeit von 230 km/h erreicht hat, ist fraglich, dennoch heißt es sich gut festhalten. Die Luft, die durch den Hauptrotor tritt, wird nämlich auch noch bei der Landung auf ca. 100 km/h beschleunigt.
Die dreiköpfige Crew – ein Pilot, ein Flugrettungssanitäter und eine Notärztin – kommt am Tag unseres Besuches schon von ihrem ersten Einsatz. Und das um 8.30 Uhr. „Unser Dienst beginnt um 7 Uhr, ab da sind wir einsatzbereit. Wir sind aber immer schon früher hier, weil wir ja noch alles checken müssen“, erklärt uns Hermann Schneck, leitender Flugrettungssanitäter, der an diesem Tag Dienst hat. In seiner Funktion spielt er gleich mehrere Rollen, denn der Flugrettungssanitäter assistiert nicht nur dem Notarzt am Einsatzort bei der Versorgung des Patienten, sondern unterstützt auch den Piloten in fliegerischen Angelegenheiten, wie beispielsweise der Navigation oder dem Funk. Genauso kümmert sich Schneck nach dem Einsatz darum, dass genügend Treibstoff im Hubschrauber ist. Die nächste Einsatzalarmierung könnte nämlich jederzeit kommen und dann heißt es Abflug binnen drei Minuten.
Bis dahin widmet sich Pilot Andreas Berger dem Einsatzprotokoll. Mehr als 300 Mal musste der Christophorus 4 heuer bereits abheben – wohlgemerkt seit Jahresbeginn und nicht seit Beginn der Skisaison. Der Stützpunkt ist nämlich das ganze Jahr über besetzt. „Als im Jahr 1985 der Probebetrieb des Christophorus 4 begonnen hat, war eigentlich nur ein Winterbetrieb mit dem Stützpunkt beim Kitzbüheler Krankenhaus angedacht. Wir haben uns aber so bewährt, dass der Sommerbetrieb gleich weitergelaufen ist“, erzählt Berger, der schon seit 18 Jahren als Berufspilot für den ÖAMTC arbeitet. Während der Christophorus 4 damals noch zwischen dem Kitzbüheler Winter- und dem rund zwölf Kilometer entfernten St. Johanner Sommerstandort pendeln musste, wird der neue Stützpunkt in Reith nun wirklich ganzjährig betrieben.
„Wir müssen etwas sehen, um zum Ziel zu kommen.“
Das Einsatzgebiet messen Piloten übrigens nicht in Kilometern: „Wir haben einen Radius von 15 Flugminuten“, erklärt Berger. „Bei einer Reisegeschwindigkeit von 230 km/h erstreckt sich das Gebiet im Westen bis zum Zillertal, im Süden bis zum Alpenhauptkamm, im Norden bis zum Chiemsee und im Osten etwa bis zum Hochkönig.“ Vorausgesetzt, das Wetter spielt mit, denn bei schlechten Witterungsbedingungen muss der Hubschrauber dementsprechend langsamer fliegen: „Wir sind im Sichtflug unterwegs, das heißt, wir müssen etwas sehen, um zum Ziel zu kommen“, so Berger. Wolken und Nebel wirken sich ebenso negativ aus wie Schneefall: „Wenn es schneit, verringert sich die Flugsicht manchmal von 30 auf zwei Kilometer. Dann fliege ich unter Umständen von Haus zu Haus“, berichtet der Pilot.
Liegt der Stützpunkt im Nebel, ist ein Start sogar unmöglich. Da muss oft binnen Sekunden entschieden werden, was passiert. „Der Erwartungsdruck an uns ist natürlich hoch, aber die Professionalität sagt, dass die Sicherheit der Crew an erster Stelle steht. Wir haben den Unfall ja nicht verursacht, wir versuchen nur – wenn die Bedingungen passen – so schnell wie möglich die bestmögliche Hilfe zu bringen“, stellt Berger klar. Muss der Christophorus 4 witterungsbedingt am Boden bleiben, gibt es aber gut acht andere Rettungshubschrauber, da sich die Einsatzgebiete genau aus diesem Grund mit anderen Stützpunkten überschneiden.
„Ob viel Schnee liegt oder wenig, macht für uns keinen Unterschied.“
Einsatzursache während der Wintersaison sind überwiegend Skiunfälle, vor allem Unter- oder Oberschenkelbrüche werden abtransportiert. Dabei wirkt sich eine gute Schneelage, wie es sie heuer gibt, nicht auf die Zahl der Einsätze aus. „Ob viel Schnee liegt oder wenig, macht für uns eigentlich keinen Unterschied, wir haben heuer nahezu gleich viele Einsätze wie im Vorjahr“, so Berger. Spektakuläre Rettungsaktionen aus abgelegenen Tiefschneehängen, wie man sie aus diversen Serien kennt, stehen nicht an der Tagesordnung. Primär werden Skipisten angeflogen, auf denen sich auch ein Platz zum Landen findet, Taubergungen machen nur einen kleinen Anteil aus. Im Fall des Falles schlüpft der Flugrettungssanitäter aber bei solch aufwendigen Einsätzen in seine dritte Rolle als Bergespezialist. Er kümmert sich um die Seil- und Sicherungstechnik für sich, den Notarzt und den Patienten.
„Ich sage ja, wir sind drei Spezialisten, die zusammen einen Job erledigen“, erklärt Berger. Trotzdem sind die unterschiedlichen Verantwortungsgebiete in dem eingespielten Team streng aufgeteilt. Während an Bord des Hubschraubers der Captain das Sagen hat, liegt am Einsatzort die Hauptverantwortung beim Notarzt. „Nach der Erstversorgung sage ich dem Piloten, ob der Patient ein Maximalversorgungshaus wie die Innsbrucker Klinik braucht, oder ob ein Bezirkskrankenhaus reicht“, sagt Stefanie Mariacher, diensthabende Notärztin. Genau wie für Hermann Schneck ist auch für sie die Arbeit als Notärztin ein Nebenjob, Dienste für die Flugrettung machen beide rund dreimal im Monat. Mariacher arbeitet als Anästhesistin im Krankenhaus Kuftstein, Schneck als Operationsassistent ebendort – die einzigen fix angestellten sind die Piloten, die sich im Wochenrhythmus abwechseln.
„Ich könnte ja auch für eine Bohrinsel arbeiten.“
Warum sie sich den Rettungsdienst zusätzlich zu ihrem Vollzeitjob antun? „Eigentlich aus Überzeugung . . . und es ist wahnsinnig interessant, in einem – im Vergleich zum Krankenhaus – kleinen Team zu arbeiten“, erklärt die Ärztin. „Ein bisschen eine Berufung ist es schon“, meint Flugrettungssanitäter Schneck, „die Liebe zum Menschen und zum Beruf, gehören auch dazu, denn oft geht es ja gut aus“, so Schneck weiter. Auch Pilot Berger hat im Rettungsdienst seinen Traumjob gefunden: „Ich könnte ja auch für eine Bohrinsel arbeiten. Aber hier weiß ich, das wir ausrücken, um anderen, die erkrankt oder verunfallt sind, medizinische Versorgung zu gewähren. Je schneller wir beim Patienten sind, desto früher kann auch wieder der Heilungsprozess beginnen“, erklärt Berger. „Auch wenn Hubschrauberrettungen extrem kostenintensiv sind, ist das im Vergleich zu den positiven Folgeeffekten auf das ganze Sozialsystem ein Klacks.“ Rund 90 Euro werden pro Flugminute verrechnet.
Obwohl alle drei ihrem (Neben-)Beruf mit großer Leidenschaft nachgehen, ist keiner von ihnen enttäuscht, wenn der Alarm einmal ausbleibt. „Prinzipiell ist es ja ein Bereitschaftsdienst, wenn was passiert, kommen wir um zu helfen“, sagt Berger. Und wenn sie einmal nicht abheben müssen, gibt es am Stützpunkt genug zu tun: Alles für den nächsten Einsatz bereit machen.
Facts zur Flugrettung
- in Österreich gibt es insgesamt 39 Rettungshubschrauber, 16 davon werden vom ÖAMTC betrieben, zu den restlichen Betreiber zählen unter anderem Schider Helicopter, Heli Austria und die ARA Flugrettung
- der Anlassvorgang eines Hubschraubers dauert 1,5 Minuten, gleich lang wie das Abstellen
- bei perfekten Bedingungen beträgt die Reisegeschwindigkeit 230 km/h
- die Besatzung besteht aus dem Piloten, einem Flugrettungssanitäter und einem Notarzt
- nach Alarmierung heben Hubschrauber und Besatzung binnen drei Minuten ab
- die Leitstelle – jedes Bundesland hat eine zentrale – entscheidet nach Nähe zum Einsatzort, welcher Hubschrauber alarmiert wird
- ein durchschnittlicher Notarzthubschraubereinsatz kostet 3500 Euro – eine Flugminute wird mit rund 90 Euro verrechnet; der ÖAMTC stellt keine Rechnungen an Patienten, bei Einsätzen der Grundversorgung werden die Kosten von den Sozialversicherungsträgern, Bundesländern, Privatversicherungen und Sponsorbeiträgen gedeckt; bei Sport- und Freizeitunfällen im alpinen Bereich wird allerdings der Restbetrag, der nicht von der Sozialversicherung vergütet wird, in Rechnung gestellt – häufig verfügen die Verletzten aber über eine Mitgliedschaft (z.B.: Alpenverein, ÖSV, Bergrettung, …), die eine Zusatzversicherung beinhaltet, sodass alle Kosten getragen werden