Wenn alle Gastfreundlichkeit vergebens ist: Trotz einer professionellen Bewerbung und eines herzlichen Auftritts in Bulgarien, geht die Interski 2023 an Levi und nicht an Kitzbühel. Eine Analyse.
Suderanten/Ätzer werden behaupten, es waren leere (1500) Kilometer, die eine 30-köpfige Kitzbühel-Delegation letzte Woche nach Pamporovo zurückgelegt hat. Immerhin kehrte man aus dem kleinen Wintersportort in Bulgariens Rhodopen mit leeren Händen zurück. Erhofft hatte man sich – im Rahmen der diesjährigen Interski – den Zuschlag zur Ausrichtung der Interski 2023. Der weltgrößte Kongress für Schneesportunterricht wird jedoch in Levi über die Bühne gehen. Der Weltcuport in Finnlands hohem Norden war der einzige Herausforderer um die Ausrichtung.
Somit stimmt es natürlich, dass die monatelangen Bemühungen um den Zuschlag nicht zum gewünschten Ziel geführt haben. Allerdings präsentierte sich Kitzbühel in Pamporovo von einer Seite, dass der Gamsstadt und ihren Vertretern die Herzen von allen Seiten zuflogen. Nur nicht von den stimmberechtigten Delegierten. Fast eine Woche lang gab das „Kitzbühel-House“ im Herzen des Skigebiets den Ton an. Nicht nur aufgrund der optischen Auffälligkeit im klassischen Kitz-Rot, auch musikalisch und kulinarisch. Das Tyrol Music Project sorgte stets für Stimmung – auf Tirolerisch wie mit Balkan-Sound. Und sobald Andi Wahrstätters Küche die Pforten öffnete, schienen sich zu jeder Mittagsstunde alle Kongressbesucher auf der Sonnenterrasse einzufinden. Unter 15 Minuten Wartezeit waren keine Schmankerln zu bekommen, aber das wurde von den Interski-Besuchern geduldig in Kauf genommen. Aufgewartet wurde übrigens Rindsuppe, Kaiserschmarren, eine zünftige Jause sowie Skiwasser, Tee von „Teekanne“ und Gerstensaft von „Huber Bräu“.
Von Herausforderer Levi war in den Tagen bis zur Vergabe der Interski 2023 so gut wie nichts zu sehen. Dabei lässt es sich auch mit Finnlands Kulinarik wunderbar einkochen, doch die Delegation aus Levi setzte auf Zurückhaltung. Nur einmal erschien eine Gruppe mit den typischen blitzblauen Jacken am „Kitzbühel-House“ – zum Mittagessen. Auch bei der Präsentation ihres Ortes am Abend zwei Tage vor der Vergabe setzte Levi auf Understatement: Auf der Bühne las Ex-Slalom-Star Tanja Poutiainen – flankiert von zwei Kollegen – die Vorzüge Levis vom Blatt. Die 20 Minuten waren zwar charmant, aber wenig professionell. Selbst der Special-Effect mit dem Auftritt des Weihnachtsmannes wurde bis zur Unscheinbarkeit versemmelt. Aber die Unperfektion hatte wohl ihre Gründe: Nach bereits zwei gescheiterten Bewerbungen um die Austragung der Interski ging es Levi diesmal offensichtlich einfach gelassener und lässiger an.
Kitzbühel dagegen setzte auf Perfektion – neben der Gastfreundlichkeit im „Kitzbühel-House“ auch bei der Vorstellung auf der Bühne. Für die warmen Worte sorgten Tourismuspräsidentin Signe Reisch und Christoph Burger von der Skischule element3, abgerundet von einem hoch emotionalen Video, das die Gamsstadt von seiner atemberaubendsten Seite zeigte. Abschließend präsentierte sich die gesamte Delegation in vertrauter Einigkeit auf der Bühne: von alten Legenden (Rudi Sailer, Hias Leitner) über jüngere Ski-Helden (Fritz Strobl) bis hin zu Bergbahn, Stadtgemeinde und allen drei Skischulen Kitzbühels. Selbst die Landespolitik und Österreichs Botschafterin in Bulgarien reisten zur Unterstützung mit nach Pamporovo. Nach der Präsentation von Kitzbühel und Levi war man hinsichtlich der Favoritenrolle allerdings keinen Deut schlauer als zuvor. Natürlich zeigten die Tiroler unbestritten den besseren Auftritt und Levi einen unperfekt-entspannten mit einem Hang zur Wurschtigkeit, mehr Applaus ernteten allerdings die Finnen.
Strotzte unter den Kitzbühelern vor und auf der Interski 2019 auch nie jemand vor grenzenloser Zuversicht auf den Zuschlag, so waren sich doch alle einig, dass es mit Levi ein enges Rennen geben werde. Aber selbst da lag man daneben. Der Abend der Abstimmung unter den 35 Delegierten aus ebenso vielen Mitgliedsländern brachte ein ernüchterndes Ergebnis: Mit 22 zu 13 Stimmen ging die Interski 2023 nach Finnland. Damit hatte niemand aus Tirol gerechnet.
Signe Reisch, Präsidentin von Kitzbühel Tourismus, sah es sportlich: „So ist es und so hat man es zu akzeptieren. Es sind zwei zur Wahl angetreten und es kann nur einer gewinnen – in dem Fall war es Levi. Es war ihre dritte Bewerbung und wir wünschen ihnen alles Gute für die Interski 2023.“ Das Abstimmungsergebnis zu begründen versucht Sepp Redl, der Präsident von Interski Austria: „Die Bewerbung der Tiroler war perfekt und ich bin ihnen für die Mühe und das Herzblut sehr dankbar. Für Levi haben wohl zwei Aspekte den Ausschlag gegeben: Erstens war es ihre dritte Bewerbung und zweitens war es wohl auch eine Interski-politische Entscheidung. Es wurde wohl befürchtet, dass mit dem Zuschlag für Kitzbühel und der absehbaren hochprofessionellen Umsetzung potenzielle Bewerber für kommende Interski-Kongresse abgeschreckt werden.“
Folgenschwer dürfte sich auch der Austritt Österreichs aus der ISIA vor wenigen Jahren ausgewirkt haben. Die International Ski Instructors Association ist neben der International Federation of Snowsports-Instructors (IFSI) und der International Association Snowsports at Schools and Universities (IVSS) eine von drei Säulen, auf der die Interski fußt. Der ISIA kehrte Österreich aufgrund von Auffassungsunterschieden im Skilehrerwesen den Rücken. Bei der Abstimmung über den Austragungsort der Interski 2023 votierten die meisten der verbliebenen ISIA-Mitgliedsstaaten gegen Kitzbühel. Das sippenhaftende Verhalten passt aber auch generell gut ins Bild, das die Interski International und ihre Führung in Pamporovo zeigte: Ein verzopfter Verband älterer Männer, fern jeglichem Fortschrittsgedanken. Ganz im Gegensatz übrigens zu den rund 2000 Kongressbesuchern, die wie eine ausgelassene, herzliche und dynamische Familie der Ski-Liebhaber wirken.
Die Vergabe an Levi ist aber freilich kein Fehler, ganz im Gegenteil. Der reizende Ort hat alles, was ein Ski-Kongress braucht (Details hier) – coole Pisten, Restaurants, Hotels und einen Flughafen. Einzig die Abgeschiedenheit (1000 Kilometer nördlich von Helsinki und selbst 170 Kilometer nördlich der Heimat des Weihnachtsmannes) ist wenig einladend. Kitzbühel kann sich damit trösten, ein Stück Tirol einem internationalen Publikum in Bulgarien präsentiert und auf diesem Wege in Pamporovo viele neue Fans gewonnen zu haben.