Neu Rund um den Weltcup

„Erzwingen kann man es nicht“

Michael Huber vor dem "Headquarter" © Skiing Penguin

Michael Huber, der Präsident des Kitzbüheler Ski Clubs, spricht im Interview über seine Angst vor dem 80. Hahnenkammrennen in wenigen Wochen, den alpinen Nachwuchs im KSC und verrät, wohin er sich als Zeitreisender gerne aufmachen würde. 

Herr Huber, was bedeutet Ihnen Ihre Heimatstadt Kitzbühel?
MICHAEL HUBER: Es ist für mich ein ganz spezieller Platz in den Alpen. Weder in den Ost-, noch in den Westalpen gibt es etwas Vergleichbares. Kitzbühel hat objektiv wie subjektiv einen gewissen Paradies-Charakter, deshalb ist die Bedeutung meiner Heimat für mich sehr hoch.

Wie beschreiben Sie Kitzbühel jemandem, der es nicht kennt?
MICHAEL HUBER: Der Klassiker läuft so ab: „You speak German, but you are not from Germany?“ – „Yes, I am from Austria, from Kitzbühel, where the Hahnenkamm-Race takes place, the famous ski-race!“ – „Ah, Kitzbühel, yes!“ Die jährliche Visitenkarte, die wir mit dem Hahnenkammrennen abgeben, hat uns bis in entlegene Ecken bekannt gemacht – weltweit. Das Rennen ist nicht nur für uns ein Highlight, sondern für ganz Tourismus-Österreich, weil wir damit auch entlegene Regionen erreichen, wo Skisport keine große Rolle spielt.

Was wäre aus Kitzbühel wohl geworden, würde es das Hahnenkammrennen nicht geben?
MICHAEL HUBER: Kitzbühel hätte genauso seinen Charme und es würde genauso funktionieren. Es gibt immer wieder Diskussionen, in denen darauf hingewiesen wird, dass es auch berühmte Skiorte gibt, die kein jährliches Rennen austragen. Zum Beispiel Whistler in Kanada, unsere Partnerstadt Sun Valley in den USA oder Davos und Arosa in der Schweiz. Wenn Kitzbühel das Hahnenkammrennen nicht hätte, wäre es eben anders. Wie, wissen wir nicht. 

Bedeutet Ihnen das 80. Hahnenkammrennen etwas oder sind Sie kein Fan von Jubiläen?
MICHAEL HUBER: Mir persönlich bereitet es Angst. Das liegt in unserer Erfahrung, dass alle Jubiläumsrennen schwierig sind – sei es witterungsbedingt oder aufgrund sonstiger Begleitumstände. Das 25. Hahnenkammrennen, zu dem alle bisherigen Sieger eingeladen wurden, sollte 1964 stattfinden und musste aufgrund Schneemangels abgesagt werden. Rund um das 50. Hahnenkammrennen 1990 gab es ein irres Rahmenprogramm: von Nostalgieskilauf über Damenrennen und Nachtsprint in der Innenstadt bis hin zum Wintergolf. Die Rennen an sich konnte man aber nur mit viel Mühe abhalten, weil sehr wenig Schnee gelegen ist. Was ich über die vielen Jahre gelernt hab: Das 80. Jubiläum ist eine Zahl und wir werden alles daran setzen, dass man ein gewohntes Hahnenkammrennen durchbringt. Weil  soviel passieren kann: zu wenig Schnee, viel zu viel Schnee, Wind, Nebel, Regen, zu viel Sonne etc. Wir konzentrieren uns auf Super-G, Abfahrt und Slalom. Es wird keinen Konzertreigen internationaler Künstler geben, keine Zauberer und auch keine Bauchtänzerinnen. Im Vordergrund steht der Rennfahrer, denn was er leistet, ist unglaublich. Alles andere würde seine Leistung nur schmälern. Die Show ist der Sport. 

Ein Bild vom Abfahrtstraining 2019 - vier Tage vor dem Rennen © Skiing Penguin
Ein Bild vom Abfahrtstraining 2019 – vier Tage vor dem Rennen © Skiing Penguin

Wie sehr schmerzt der Rücktritt von Marcel Hirscher?
MICHAEL HUBER: Auch diese Medaille hat zwei Seiten: Als Sportler geht Marcel Hirscher sicher ab. Er war ein wahnsinniges Zugpferd – für die Fernsehzuseher wie für die Fans vor Ort. Aber das Hahnenkammrennen gibt es seit 1931 und es hat schon so viele tolle Helden und Persönlichkeiten gesehen. Vielleicht gibt es aus heimischer Sicht jetzt einen kleinen Hänger, aber es werden neue Typen kommen. Nach Hermann Maier hat man auch geglaubt, so einen wird es nie wieder geben – und dann kam Marcel Hirscher. Wer sich künftig hervortun wird, den kennen wir noch nicht. Sportwettkämpfe werden ja auch so definiert: Es sind Theaterstücke, Opern, Hollywoodfilme, deren Drehbücher erst zum Zeitpunkt des Passierens geschrieben werden. Alles andere ist Kaffeesudlesen. 

Denken Sie so auch über den Nachwuchs im Kitzbüheler Ski Club? Aushängeschild Lisa Hauser ist Biathletin, im Skisport waren zuletzt die Schwestern Carina und Dajana Dengscherz im Weltcup.
MICHAEL HUBER: Das Kitzbüheler Wunderteam rund um Toni Sailer leuchtet bis heute so stark, dass selbst Hansi Hinterseer, der 20 Jahre später gewonnen hat, im Schatten steht. Dabei haben wir schon vor dem alpinen Zenit des Wunderteams Nordische gehabt, an die sich heute keiner mehr erinnert, und es gab nach dem Wunderteam mit Herbert Huber, Christl Haas und Hansi Hinterseer drei Alpine, die ganz vorne mitgefahren sind. Danach feierten die KSC-Sportler vor allem Erfolge im Nordischen Bereich wie etwa David Kreiner – da musst auch erst einmal Olympiasieger werden. Es gibt bei uns im Skiclub immer wieder eine neue Generation, die es zu den höchsten Medaillenwürden geschafft haben, aber momentan eben nicht im alpinen Bereich. Das ist ein kleiner Wermutstropfen.

Aber was die Zukunft den KSC-Athleten an Medaillenwürden bringen wird, ist Kaffeesudlesen, oder? 
MICHAEL HUBER: 
Eine alpine Medaille ist schon eine Zielvorgabe, die du im Hinterkopf hast. Wir haben hier in Kitzbühel aber auch einen sozialen Auftrag: Wir bilden im Club 150 Kinder im Wintersport aus und da geht es primär darum, dass man – gerade im heutigen Computerzeitalter – die Kinder im Sportbetrieb hält und sie dafür begeistert. Beides zu verknüpfen ist mein persönliches Ziel: ein Sportangebot für die Breite und auch eine Spitze herauszuarbeiten. Aber da bleibt noch immer der Spruch: Erzwingen kann man es nicht. 

Eine von vielen Schlüsselstellen auf der Streif: die Hausbergkante © Skiing Penguin
Eine von vielen Schlüsselstellen auf der Streif: die Hausbergkante © Skiing Penguin

Haben Sie eigentlich eine Lieblingspiste hier daheim in Kitzbühel?
MICHAEL HUBER: Ja, aber die verrate ich nicht. Ich gehe gerne Ski fahren. 

Wie oft ist Ihnen das in der letzten Saison gelungen – vor allem privat?
MICHAEL HUBER: Wir haben familienintern ein Match laufen: 100 Skitage muss man schaffen. Das gelingt mir nicht, aber 85 bis 95 bring ich schon zusammen. 80 Prozent davon sind natürlich dienstlich, aber es ist ja nichts Schlechtes daran, wenn man dienstlich die Streif besichtigen darf. 

Als Kind wollten Sie Zeitreisender werden. Wohin eigentlich?
MICHAEL HUBER: In die Zukunft und zurück. 

Und wohin genau? Ins Mittelalter, Renaissance, Barock ?
MICHAEL HUBER: Nein, nein! Nicht so weit zurück! Alles hängt mit dem Skisport zusammen. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Oslo die erste Skisporteuphorie und die ersten Preisgeld-Rennen – faszinierend, das hätte ich gerne miterlebt. Dann würden mich die Anfangsjahre des Hahenkammrennens furchtbar interessieren – so von 1925 bis 1934. Die Anfänge des Weltcups Mitte der 1960er-Jahre würden mich ebenso faszinieren. Und ich würde noch gerne wissen, wie es in 50 Jahren so ist.

Für den KSC-Präsidenten gilt immer: "Die Show ist der Sport." © Skiing Penguin
Für den KSC-Präsidenten gilt immer: „Die Show ist der Sport.“ © Skiing Penguin