Nina Ortlieb holte sich heuer die Gesamtwertung im Europacup und hat damit ihre Startplätze in der kommenden Weltcup-Saison fix. Im Interview spricht die 21-jährige Vorarlbergerin vom bisher vielleicht entscheidendsten Schritt in ihrer Karriere.
Während die Gesamtwertungen im Weltcup nach Salzburg (Marcel Hirscher) und in die USA (Mikaela Shiffrin) gehen, ist der Europacup – die Rennserie darunter – fest in der Hand Vorarlbergs. Bei den Herren holte Johannes Strolz den Titel, bei den Damen Nina Ortlieb. Die 21-jährige aus Lech avancierte heuer zwar nicht zur Seriensiegerin, bestach aber durch konstante Spitzenplatzierungen. 20 Mal stand Ortlieb heuer am Start und schaffte 14 Mal den Sprung in die Top 7. Am Stockerl stand sie sieben Mal, gewonnen hat die Tochter von Olympiasieger Patrick Ortlieb den Super-G in der Innerkrems und den Riesentorlauf im spanischen La Molina. Mit dem Sieg der Gesamtwertung im Europacup hat Ortlieb nächste Saison die Startberechtigung in allen Weltcup-Disziplinen fix. Forcieren möchte sie ihre Karriere vor allem in Abfahrt und Super-G: „Ich will mich in den Speed-Disziplinen etablieren und regelmäßig punkten“, heißt ihr großes Ziel.
Frau Ortlieb, herzlichen Glückwunsch zum Gewinn der Gesamtwertung im Europacup! Welchen Stellenwert hat dieser Erfolg für Sie?
NINA ORTLIEB: Er bestätigt die Konstanz über die ganze Saison. Davor hab ich immer gute Einzelresultate gehabt, bin aber von Verletzungen nicht verschont geblieben. Dann hab ich zwei Junioren-Goldmedaillen erreicht, aber so eine Gesamtwertung zeigt, dass man über eine ganze Saison gute Leistungen erbracht hat und das ist schon cool.
Ist das Ihr Karrierehöhepunkt bis jetzt?
NINA ORTLIEB: Würde ich nicht sagen. Bei der ersten Junioren-Goldmedaille 2015 im Riesentorlauf war vielleicht etwas mehr Emotion da. Und Weltcup-Luft hab ich ja auch schon öfter geschnuppert. Leider sind wir in Österreich in der Situation, dass so viele Fahrerinnen da sind, dass es immer einen engen Kampf um die Startplätze gibt. Nun hab ich mir für die nächste Saison sicher einen tollen Grundstein gelegt und ich glaube, das ist ein wirklich gutes Sprungbrett in den Weltcup. Das ist vielleicht der entscheidendste Schritt in meiner Karriere bisher.
Wenn Sie diese Leistungen in der nächsten Saison im Weltcup bestätigen können.
NINA ORTLIEB: Ja, genau. Aber nachdem ich ja schon einige Erfahrungen im Weltcup gesammelt und auch häufig mit der Weltcupgruppe trainiert hab, muss ich keine Angst haben, dass ich untergehen werde.
Dank des Europacup-Sieges haben Sie nächste Saison in jeder Weltcup-Disziplin einen Fixplatz. Wovon hing Ihr Antreten bei der Elite bisher ab?
NINA ORTLIEB: Zum einen hat es Qualifikationsläufe gegeben, aber leider sehr selten. Sonst durch tolle Ergebnisse im Europacup bzw. gute Leistungen im Training mit der Weltcupgruppe. Aber wenn man – wie heuer – neun Läuferinnen in den Top 30 der Startliste im Super-G hat, gab es für uns Junge dennoch keine Chance, auch wenn wir im Training schnell waren.
Antreten dürften Sie 2018/2019 in jeder Weltcup-Disziplin, in welchen werden Sie es auch tun?
NINA ORTLIEB: Ich werde alle Wettkämpfe im Super-G und in der Abfahrt bestreiten, in Sachen Riesentorlauf überlegen wir noch. Da trete ich vielleicht nur in einem Teil der Rennen an. Denn wichtig ist es jetzt, im Speedbereich durchzustarten. Wenn mir das gelingt, kann ich mich an die dritte Disziplin heranwagen. Slalom schließe ich aus. Vier Disziplinen auf Wettkampfniveau zu betreiben, ist extrem belastend.
Sie sind 21 Jahre jung und kennen den Weltcup gut, den Europacup sehr gut. Wie schwer ist der Sprung in die Eliteklasse? Wie groß ist der Unterschied? Oder wie klein?
NINA ORTLIEB: Es ist schon ein Unterschied. Allein die Abfahrten sind im Weltcup länger und die Präparierung ist eine Spur härter. Die etablierten Läuferinnen kennen die Strecken auch nahezu auswendig. Man sieht das etwa an Aksel Lund Svindal, der manche Trainingsläufe total locker angeht, weil er jede Passage gut kennt. Als junge Läuferin überall das erste Mal runterzufahren, ist schon eine andere Geschichte. Skifahrerisch sind uns die Weltcupläufer nicht automatisch überlegen, aber ihre Routine und die Erfahrung spielen eine riesige Rolle. Aber man versucht im Europacup inzwischen auch auf Weltcupstrecken zu fahren. Heuer waren wir etwa in Crans Montana und in Soldeu in Andorra, wo nächste Saison das Weltcup-Finale stattfindet.
Auf welches Rennen freuen Sie sich dank des Aufstieges am meisten?
NINA ORTLIEB: Ich freue mich, dass ich das erste Mal beim Heim-Weltcup in St. Anton am Start stehen darf. Das ist ja im Endeffekt mein Heim-Skigebiet. Es ist zwar eine halbe Stunde entfernt, aber ich könnte es auch ohne Auto erreichen: Wenn ich bei mir daheim die Ski anschnalle, bin ich zwei Stunden später in St. Anton auf der Rennstrecke. Aber eigentlich gibt es kein Rennen, auf das ich mich nicht freuen.
Was bringt der Europacup eigentlich finanziell?
NINA ORTLIEB: Bei den Rennen bekommen die ersten fünf ein Preisgeld. Bei einem Gesamtsieg kommt es darauf an, ob man Verträge mit Skifirmen oder dem Ausstatter hat. Da gibt es dann meistens eine kleine Prämie. Aber im Vergleich zu den großen Summen im Weltcup ist das natürlich schon eine andere Liga.
Ist es für Sie derzeit noch ein Minus-Geschäft?
NINA ORTLIEB: Wenn man so einen Verband wie den Österreichischen Skiverband nicht hinter sich hätte, ist es wahrscheinlich nicht rentabel. Aber indem der ÖSV uns unterstützt – etwa mit Trainern und anderen Betreuern – bleibt am Ende der Saison schon etwas übrig.
Können Sie in wenigen Worten sagen, was es braucht, um bis in den Weltcup vorzustoßen?
NINA ORTLIEB: Zum einen braucht es sicher den Fleiß, aber braucht vor allem die Freude an der Sache. Ohne Leidenschaft klappt es nicht, denn für den Sport muss man schon viel entbehren.
Wollten Sie in den 21 Jahren einmal alles hinschmeißen und die Ski-Karriere zu den Akten legen?
NINA ORTLIEB: Nein, noch nie. Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch. Daneben betreibe ich zwar am Management Center Innsbruck noch ein BWL-Studium, aber begleitend. Der Sport steht für mich klar im Vordergrund, von Aufhörgedanken bin ich noch weit entfernt.