Snow-How

„Der Optimalfall tritt bei der Präparierung nie ein“

Das Pistengerät gräbt die Franz-Klammer-Strecke in Bad Kleinkirchheim um
© Mathias Prägant

Mediale Aufmerksamkeit bekommen Weltcupstrecken oft nur wenige Stunden lang. Dass hinter einer perfekt präparierten Piste monatelange intensive Arbeit steckt, an der oft bis zu 150 Personen beteiligt sind, wissen nur wenige. Das Wetter macht vielen Pistenchefs oft einen Strich durch die Rechnung. Auf Dauer muss sich auch die FIS neue Lösungen überlegen.

Berge, Waldstücke, blauer Himmel, hier eine Piste, da eine Abfahrt. Doch „Piste ist nicht gleich Piste“, so Gerd Schabus, Pistenchef der Weltcup-Rennen in Bad Kleinkirchheim, denn eine Weltcupstrecke und eine Abfahrt für den Publikumsskilauf haben absolut keine Gemeinsamkeiten. Weicher Pulverschnee ist es, der dem normalen Skitourist ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Der Weltcupläufer hingegen braucht eine hart präparierte Piste, denn bei den hohen Geschwindigkeiten wären die Weichschneeanteile hinderlich und sogar gefährlich. „Sind die Bedingungen zu weich, kann sich der Weltcupläufer verschneiden und kommt in Sturzgefahr. Eine möglichst glatte Fläche ist von Nöten, um den Radius auf der Skikante fahren zu können“, erläutert Schabus. Diese glatte Fläche ist das Ergebnis aufwendiger Pistenpräparierung.

Gerd Schabus, Pistenchef in Bad Kleinkirchheim
Gerd Schabus, Pistenchef in Bad Kleinkirchheim © Skiing Penguin

Den großen Unterschied zwischen hart und weich macht der Aufbau der Schneedecke. Aus diesem Grund beginnen die Arbeiten auf der Franz-Klammer-Rennstrecke schon im November, fast drei Monate vor Renntermin. „Zur Herstellung einer Weltcuppiste braucht man mechanischen Schnee, in manchen Bereichen haben wir bis zu zwei Meter Schnee liegen“, so Schabus. Der künstlich erzeugte Schnee bildet sowohl die Grundlage als auch den überwiegenden Anteil der Rennpiste, Naturschnee wird einfach in den mechanischen Schnee eingemischt. Aber nicht zu viel, denn seine Konsistenz ist zu weich und zu wenig kompakt für eine glatte Schneeoberfläche.

Erzeugung – Verteilung – Verdichtung

Nach der Schneeerzeugung folgt die Verteilung mit dem Pistengerät auf der Strecke. Und von diesem Punkt an geht es ans Fräsen, um die Luft, die sich im Schnee befindet, herauszuholen. Mehrere Tage lang bearbeiten die Pistengeräte den Schnee und dringen bis in die untersten Schichten der Schneedecke vor. Das Ergebnis ist eine luftleere, zusammengepresste und somit kompakte Schneedecke, die mindestens einen halben Meter dick ist. „Der Idealfall wäre es, einen Meter Schnee zu erzeugen und diesen tagtäglich bis zum Rennbeginn mit dem Fräsen zu verdichten. Dazu braucht man aber Minusgrade und den richtigen Feuchtigkeitsgehalt, denn die Schneedecke muss dabei gefrieren. Genau das passiert aber nie“, klagt Schabus, der 35 Jahre Erfahrung bei der Pistenpräparierung vorweisen kann.

Heuer war es ganz besonders bitter, denn vier Wochen vor den Weltcup-Rennen in Bad Kleinkirchheim präsentierte sich die Strecke in fast rennfertigem Zustand. Doch durch für Jänner ungewöhnlich viel Regen wandelte sich die Schneedecke um. „Die obersten 15 Zentimeter der Piste waren in Ordnung, doch alles was darunter war, haben die großen Regenmengen zerstört“, so Schabus. Kurze Regenschauer sind im Winter nicht unüblich und auch für Pisten kein Problem, denn das Wasser verteilt sich auf der Piste und nimmt die Feuchtigkeit auf. Nach sechs Stunden Dauerregen haben sich die bindenden Schneekristalle in der Schneedecke aber in Eiskugeln umgewandelt, die – zusammen mit der Kompaktheit – einfach ausgeschwemmt wurden.

Pistenarbeiten bearbeiten die Franz-Klammer-Strecke in Bad Kleinkirchheim mit Salz und Wasser
Während des Super-G musste die Franz-Klammer-Strecke immer wieder mit Salz und Wasser bearbeitet werden © Skiing Penguin

Umdrehen, salzen und einwassern

„Die Bindung in den unteren Schichten war nicht mehr gegeben, wir mussten daher die Piste umdrehen“, erklärt der 56-Jährige. Dabei wird die komplette Schneedecke bis zur untersten Auflage mit dem Pistengerät umgegraben, damit das abgeschmolzene Material nach oben kommt und die Luft entweichen kann. Ohne aufwendiges Umdrehen könnte die Piste brechen. Durch das Ausschwemmen verliert die Piste unter der harten obersten Schicht nämlich nicht nur Volumen, sondern enthält auch wieder mehr Luft. Wie bei Harsch würde die Tragschicht dem Kantendruck der Rennläufer nicht standhalten und brechen.

Aber nicht nur Regen gehört zu den Horrorszenarien eines Pistenchefs. „Das Schlimmste, das unmittelbar vor einem Rennen passieren kann, ist Schneefall. Der Neuschnee muss rausgeschoben werden bis die ursprüngliche rennfertige Piste zum Vorschein kommt“, so Schabus. Gearbeitet werden kann hier aber nur mit Schaufeln und Rutschkommando, denn der Ratrac darf auf der Rennlinie nicht mehr fahren. Zu groß ist die Gefahr, dass er die Tragschicht zerstört.

Mit Hilfe von Wasser und Minusgraden wird eine glatte, aber sehr eisige Pistenoberfläche erzeugt © Mathias Prägant

Auch zu warme Bedingungen setzen einer Piste zu. Halten sich die Plustemperaturen in Grenzen,  firnt die Piste auf. Hier kommt Salz zur Anwendung, das das freigewordene Wasser bindet und die Tragschicht wieder verfestigt. Sind die Temperaturen allerdings zu hoch, hilft auch Salz nicht mehr. Gleich wie bei zu viel Regen geht die Bindung in den unteren Schichten der Schneedecke verloren und die Piste muss umgedreht werden. Was auf den ersten Blick suspekt scheint, ist in diesem Fall aber von Nutzen: Wasser. Allerdings nur in Verbindung mit Minusgraden. Um die Schneekörner wieder zu einer homogenen Schicht zu binden, wird mit Wasser eine harte Tragfläche erzeugt. Die Folge ist eine spiegelglatte Piste, wie bei den vergangenen beiden Rennen in Bad Kleinkirchheim.

Eisplatte statt Pulverschnee

Genau diese wird zum Problem, sobald die Rennen vorbei sind und der Weltcup-Tross weiterzieht. Denn während dem Rennläufer der weiche Schnee zum Verhängnis werden kann, bringt die Rennpiste oft den Skitourist zur Verzweiflung. „Für das Publikum ist eine Rennpiste ein echtes Problem“, zeigt sich Schabus im Hinblick auf mögliche Skiunfälle besorgt, oft reiche das skifahrerische Können eben einfach nicht aus. Auch aus wirtschaftlicher Sicht sind zu harte Pisten für die Bergbahnen nicht gut. „Der zahlende Gast will Pulverschnee, bekommt aber eine Eisplatte. Darum sind wir nun bemüht, wieder eine Oberfläche herzustellen, mit der das Publikum eine Freude hat“, berichtet der Pistenchef, der hauptberuflich Betriebsleiter der Kaiserburgbahn in Bad Kleinkirchheim ist. Ganz so einfach lässt sich eine Rennpiste aber nicht in eine Publikumsstrecke verwandeln. Ohne Zutun des Wetters hält sich die Eisplatte im schlimmsten Fall bis zum Ende der Saison. „Mein Wunsch wären 20 Zentimeter Neuschnee, die mit der jetzigen Oberfläche eine Verbindung eingehen und schon hätten wir weiche und pulvrige Pisten“, erklärt Schabus. Das Pistengerät allein würde ohne Hilfe von Frau Holle die Situation nur schlimmer machen.

Der Klimawandel macht sich bemerkbar

Wie auch vor den Rennen tritt der Optimalfall der Pistenpräparierung danach nur sehr selten ein. „Das ist richtig frustrierend“, sagt Schabus in Gedanken an die letzten Jahre. „Ich merke, dass es immer schwieriger wird, weil der Klimawandel seine Spuren hinterlässt.“ Während die Speed-Bewerbe vor drei Jahren vom Sturm heimgesucht worden sind, zerstörten heuer massive Regenschauer die Piste. „Da wird sich auch die FIS etwas überlegen müssen, ob Rennen unter solchen Bedingungen auf lange Sicht finanzierbar sind. Für die einzelnen Veranstalter ist das ein enormes Problem“, berichtet der Pistenchef, der in seiner Funktion auch Mitglied des Organisationskomitees ist. Lösungsvorschlag kennt der Kirchheimer aber selbst keinen. Selbst das Abwandern in höhere Skigebiete scheint zwecklos. „Wir sind hier in Bad Kleinkirchheim ja gar nicht so tief gelegen. Der Start befindet sich auf 2000 Meter, das Ziel auf 1100 Meter Seehöhe.“ Große Renndestinationen wie Kitzbühel oder Schladming liegen deutlich niedriger. Zwar lassen sich kürzere Slalom- oder Riesentorlaufpisten schnelle in den Griff bekommen, aber Schabus ist überzeugt, dass auch diese Orte irgendwann große Problem bekommen würden. „Das ist dann nur noch mit extrem hohem Aufwand zu bewältigen.“