Patrick Nairz vom Lawinenwarndienst Tirol betont die Sicherheit heimischer Skipisten und, dass die massiven Niederschläge seit Jahresbeginn kein Grund seien, daheim zu bleiben. Mit dem Lawinenwinter 1999 habe die derzeitige Situation zudem wenig Gemeinsamkeiten.
An der Alpennordseite schneit es seit einer Woche fast durchgehend und mit einer Wetterberuhigung ist erst am Freitag, dem 11. Jänner zu rechnen. Aus heutiger Sicht jedoch nur bis Sonntag, dann werden weitere Niederschläge prognostiziert. Aktuell ist die Lawinensituation bedrohlich: In Nieder- und Oberösterreich, Salzburg und der Obersteiermark gilt abschnittsweise die höchste Lawinenwarnstufe 5, in Vorarlberg und Tirol liegt sie bei 4. Patrick Nairz vom Lawinenwarndienst Tirol beantwortet die – aus Sicht eines Skifahrers – wichtigsten Fragen:
Herr Nairz, was raten die Experten des Lawinenwarndienstes derzeit den Wintersportlern? Bleibt auf den Pisten oder bleibt am besten daheim?
PATRICK NAIRZ: Wir raten Wintersportlern auf den gesicherten Pisten zu bleiben und sich über die aktuellen Verhältnisse zu informieren. Außerdem sollte man den Orientierungssinn auch im Skigebiet nicht ganz ausschalten, um bei schlechter Sicht und starkem Schneefall keine unbeabsichtigten Abstecher ins Gelände zu riskieren. Um daheim zu bleiben, dafür gibt es aus unserer Sicht keinen Grund, aber auch hier ist es kein Fehler sich vorab über die Straßenverhältnisse und -Sperren zu informieren und den Anreisezeitpunkt darauf abzustimmen.
Das heißt, auf den Pisten kann ich auch jetzt weitestgehend beruhigt Ski fahren?
PATRICK NAIRZ: Prinzipiell wird bei uns allgemein alles getan, um Pisten so sicher wie möglich zu halten und es kommt sehr, sehr selten vor, dass Lawinen auf offene Pisten abgehen und dabei etwas passiert. Die getroffenen Vorsichtsmaßnahmen sind stets massiv – einerseits durch Lawinensprengungen, andererseits werden gewisse Gebiete gar nicht aufgemacht, wenn es zu gefährlich ist. Wenn man auf gesicherten Pisten unterwegs ist, sollte im Normalfall nichts passieren. 100-prozentige Sicherheit gibt es bei Lawinen aber nicht.
Aber auch dieser Tage heißt es immer wieder: „Ich kenne das Gelände wie meine Westentasche und fahre trotz Lawinenstufe 4 in den Tiefschnee“ (abseits der gesicherten Pisten). Was rät man so jemanden insbesondere, wenn es ein Einheimischer ist?
PATRICK NAIRZ: Hier ist eine Sensibilisierung dafür nötig, dass der Heimvorteil auch ein Nachteil sein kann. Ist an der gleichen Stelle 100 Mal nichts passiert, heißt das nämlich nicht, dass die Entscheidung 100 Mal richtig war – in dieser Hinsicht geben Lawinen bzw. solche, die nicht abgehen, eine denkbar schlechte Rückmeldung: Die Lawine weiß nicht, dass Du Experte bist. An die Stufe 4 sind von unserer Seite klare Verhaltensregeln geknüpft: keine Steilhänge – wobei steil als 30 Grad Hangneigung definiert ist – und das in der gesamten Geländekammer. Letzteres, da bei Stufe 4 mehrfach sehr große, spontane Lawinen zu erwarten sind und dadurch der gesamte Einzugsbereich beurteilt werden muss.
In Westendorf wagte es am Dienstag ein Däne ins ungesicherte Gelände und musste geborgen werden. Wäre neben der Bezahlung der Einsatzkosten nicht zusätzlich eine Anzeige noch abschreckender?
PATRICK NAIRZ: Wir sind Lawinenprognostiker und möchten uns dazu öffentlich nicht äußern.
Boulevardmedien in Österreich und Deutschland „warnen“ vor einem zweiten Galtür. Ist das Panikmache oder kann so etwas passieren?
PATRICK NAIRZ: Die Situation derzeit hat mit der aus dem Jahr 1999 wenig gemeinsam. Es schneit zwar viel, aber die Schneemengen sind nicht vergleichbar und es fehlt vor allem eine zusammenhängende, bedeutsame Schwachschicht in tieferen Schneeschichten. Erst dadurch können großflächig enorme Schneemengen in Bewegung geraten, die in Folge zu extrem großen Lawinen führen. Im Moment schaut es zwar so aus, als würden auf absehbare Zeit immer wieder Niederschlagsstaffeln durchziehen, aber eine seriöse Einschätzung kann immer nur zeitnah mithilfe neuester Prognosen stattfinden. Es darf nicht vergessen werden, dass Lawinenereignisse während des Winters 1999 200-jährliche Ereignisse waren.
Sind die Niederschläge derzeit trotzdem rekordverdächtig?
PATRICK NAIRZ: Auf der Nordkette nördlich von Innsbruck werden seit 1973 Daten aufgezeichnet und noch nie hatten wir zur selben Zeit so viel Schnee wie jetzt – auf der Seegrube liegen 3,5 Meter.
Details zum Lawinen-Update des Österreichischen Alpenvereins vom Dezember 2018 erfahrt ihr hier.