Kaum eine Naturerscheinung macht den Klimawandel so deutlich wie Gletscher. Aus diesem Grund wurde am Kitzsteinhorn in Salzburg ein Schneemanagement eingeführt: Mit Snowfarming soll die Abschmelzrate des ewigen Eis gestoppt werden.
Schneehaufen über Schneehaufen und dazwischen Metallgitter – ein seltsames Bild, das Besucher des Kitzsteinhorns seit einigen Wochen auf fast 3000 Metern Seehöhe zu sehen bekommen. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine unfertige Langlaufloipe oder ein Gletscherstadion. Vielmehr dienen die Schneehaufen der Konservierung, genauer gesagt, dem Snowfarming. Schneedepots werden in den ein oder anderen tiefer gelegenen Skigebieten seit mehreren Jahren angelegt. Aber ein Gletscher, der auch Schnee sammelt?
„Wir haben 2017 ein ganz dramatisches Gletscherjahr gehabt“, berichtet Norbert Karlsböck, Vorstand der Gletscherbahnen Kaprun. „Die Kombination aus einem niederschlagsarmen Winter und einem sehr heißen Sommer ist für Gletscher immer die schlimmste“, so Karlsböck weiter. Aufgrund der geringen Schneefälle im vergangenen Jahr war die Schneeschicht, die einen natürlichen Schutz des Gletschers vor der Sonneneinstrahlung und somit dem Abschmelzen bildet, kaum vorhanden. Doch mittels Snowfarming konnte diesem Prozess bereits im Vorjahr etwas entgegengewirkt werden.
„Schon seit 2006 lassen die klimatischen Rahmenbedingungen keinen durchgehenden Ganzjahresskibetrieb mehr zu und wir haben uns bewusst dazu entschieden, dem Gletscher eine Ruhephase zu geben. Hinzu kommt unser Schneemanagement, das den Gletscher in seinem natürlichen Gleichgewicht halten soll“, erklärt Karlsböck. Als Snowfarming sind verschiedene Maßnahmen zu verstehen. Zum einen wird Schnee an strategischen Punkten zu großen Haufen zusammengeschoben und mit einem weißen Flies abgedeckt, das vor dem Abschmelzen schützen soll. Diese Schneedepots, die bis zu 50 Meter lang und fünf Meter hoch sind, haben einen doppelten Nutzen: Einerseits schützen sie den darunter liegenden Gletscher, andererseits muss zu Beginn der nächsten Wintersaison weniger künstlicher Schnee erzeugt werden, um ohne Frau Holle perfekte Pistenbedingungen bieten zu können. Denn so schnell, wie das Schneedepot von den Pistenmaschinen angelegt wird, wird es auch wieder verteilt.
Neben den großen Depots gibt es aber noch eine weitere, noch nicht so bekannte Form des Snowfarmings: Schneefangzäune und strategisch angeordnete Schneehaufen mit einer rauen Oberflächenstruktur. „Wir versuchen im Nährgebiet des Gletschers, also dort, wo sich das Eis zu bilden anfängt, eine möglichst hohe natürliche Schneedecke zu erhalten“, so Karlsböck. „Wir wollen einfach nicht mehr dem Zufall überlassen, dass ein Sturm mit 200 km/h die Eisfläche komplett abbläst und der Schnee einfach weg ist.“
Auf diese Weise versuchen die Gletscherbahnen Kaprun, „ihren“ Gletscher zumindest partiell zu erhalten. „Diese Notwendigkeit war früher einfach nicht gegeben“, erinnert sich Karlsböck, der schon seit seiner Kindheit eine enge Beziehung zum Kitzsteinhorn pflegt. „Als die Sommer nicht so warm waren, hielt sich der Gletscher von selbst im Gleichgewicht. Aufgrund unserer Erfahrungen und Messungen muss man aber davon ausgehen, dass die Sommer immer heißer werden, da braucht der Gletscherhaushalt unsere Unterstützung, um ausgewogen zu bleiben.“
Ob sich das Snowfarming wirklich positiv auswirkt, ist übrigens erst in zehn, zwanzig oder gar dreißig Jahren festzustellen. Von wissenschaftlicher Seite wird das Projekt seit zwei Jahren begleitet, die Messwerte sind daher noch nicht vertrauenswürdig. „Wir wissen allerdings aufgrund unserer bestehenden Messungen, dass wir in dem von uns unterstützten Bereich des Gletschers die Abschmelzrate gegenüber des Teiles, in den wir nicht eingreifen, deutlich reduzieren konnten“, berichtet Karlsböck. Aufnahmen vom Gletscher zeigen zudem, dass das Eis unter gesammeltem Kunstschnee dicker ist, als ohne diesen Schutz. Aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht ist es natürlich besser, Naturschnee zu konservieren. „Allerdings hat der künstliche Schnee den Vorteil, dass er gegenüber Sonneneinstrahlung und Wärme eine höhere Resistenz hat“, erläutert der Kapruner.
Auch was das Festmachen der Kosten betrifft, stehen die Bergbahnen mit ihrem Projekt erst am Anfang. „Bei der Wirtschaftlichkeit tut man sich noch relativ schwer, denn ohne Snowfarming würden wir Gefahr laufen, dass der Schnee am Gletscher sehr frühzeitig schmilzt“, so Karlsböck, der bereits das zwölfte Jahr den Bergbahnen vorsteht. So könne der Skibetrieb gewährleistet werden, was auf der anderen Seite natürlich wieder Geld in die Kassen spült. „Kostenintensiv würde ich unser Projekt aber nicht nennen, weil wir als Gletscherbahnen immer schon Geld für die Forschung ausgegeben haben“, stellt er klar. Bereits im Jahr 2010 wurde das Kitzsteinhorn Standort eines interdisziplinären Freiluftlabors für Permafrost- und Steinschlagmonitoring.
Auch den Themen Ökologie und Nachhaltigkeit hat sich der Betrieb schon früh verschrieben. So spielen das Umwelt-, Energie- und Qualitätsmanagement seit 2003 eine große Rolle, alle drei Bereiche sind ISO-zertifiziert. Öko-Strom, Küchenabwärme, die Liftstationen beheizt, oder ein kombiniertes Pumpkraftwerk, das im Winter Schnee und im Sommer Strom produziert, sind Teile des nachhaltigen Managements, das nun mit Snowfarming komplettiert wird. „Mit Gletscherwachstum hat das aber überhaupt nichts zu tun. Wir sagen uns ‚ok, vielleicht kann man ihn so erhalten, wie er jetzt ist‘“, zieht Karlsböck Bilanz. „Wir leben letztendlich vom Berg, 75 Prozent der Wirtschaftskraft von Kaprun hängt unmittelbar mit dem Tourismus zusammen. Da ist es ganz wichtig, dass man die Umstände kennt und die Zukunft einschätzen kann.“