Skicross ist ein Garant für spektakuläre Bilder vom Kampf Läufer gegen Läufer. Dabei ist der Unterschied zum „klassischen“ Skifahren gar nicht so groß, wären da nicht die hohen Luftstände, die Steilkurven und vor allem das zu-viert-Fahren. Zwei österreichische Skicross-Neueinsteiger und zwei arrivierte DSV-Athleten erzählten uns von ihrer Disziplin, die längst mit den Alpinen mithalten kann.
37 Stationen zählt der heurige alpine Weltcupkalender. Da sieht es im Skicross mit neun Stationen für Herren und Damen ganz anders aus. Allerdings muss Folgendes berücksichtigt werden: Das, was Slalom, Abfahrt, Super-G, Riesentorlauf und Kombination für Ski Alpin sind, sind Skicross, Buckelpiste, Aerials, Halfpipe und Slopestyle für den Bereich Freestyle. In diesem relativ jungen Segment – die ersten Freestyle-Bewerbe wurden unter der Schirmherrschaft der FIS erst Anfang der 2000er ausgetragen – ist die Spezialisierung auf eine Disziplin deutlich größer ausgeprägt. So muss sich die Skicross-Elite noch etwas gedulden, denn ihre Weltcupsaison beginnt nicht schon Ende Oktober, sondern erst Anfang Dezember mit den ersten Rennen in Val Thorens.
Dass der Saisonauftakt noch nicht vor der Tür steht, ist für Heidi Zacher und Paul Eckert, die derzeit heißesten Eisen im Feuer des deutschen Skicross-Teams, heuer besonders von Vorteil. Zacher ist seit fast zehn Jahren im Weltcupzirkus und konnte in der vergangenen Saison fünf Podestplätze einfahren. In den restlichen Rennen reihte sich die 30-Jährige immer unter den Top-10 ein. Mit seinem ersten Sieg in seinem achten Jahr im Weltcup und drei Top-10-Platzierungen hat auch Eckert eine hervorragende Saison hinter sich.
Aber auch noch so gute Leistungen halten den Verletzungsteufel nicht von seiner Arbeit ab: Heidi Zacher erlitt im Jänner einen Kreuzbandriss, Paul Eckert musste sich im April die Schulter operieren lassen. „Das meiste Sommertraining ist wohl als Reha-Training zu klassifizieren, weil man nach so schwerwiegenden Verletzungen einfach eine gewisse Zeit braucht, um halbwegs zum alten Niveau zurückzukehren“, sagt Zacher. Eckert konnte schon im August wieder ins Mannschaftstraining einsteigen: „Ich musste an meinem Kraftaufbau arbeiten und habe lediglich vier Schneetage verloren“, berichtet er.
Mittlerweile stehen beide wieder auf Ski und trainieren, um ihre Vorjahresform zurückzuerlangen. Bevor sie sich in die waghalsigen Strecken voller Steilkurven, Sprüngen und Wellen schmeißen, wird an der Technik gefeilt. Und zwar im Riesentorlauf. „Genau wie bei den Alpinen ist der Riesentorlaufschwung unser Basisschwung, auf dem der Rest aufbaut. Bei uns im Skicross muss man auch schnell Kurven fahren, daher ist das Riesentorlauftraining ein wichtiger Bestandteil. Wenn’s dann im Riesentorlauf gut funktioniert, wagen wir uns an den Skicross. Das macht jeder Schritt für Schritt“, erklärt Zacher. Apropos Riesentorlauf: Ihre Karriere begonnen haben Eckert und Zacher im alpinen Skirennsport. Nach einigen Jahren auf FIS-Ebene und ohne große Erfolge schnupperten sie beim Skicross hinein. „Ich bin damals sehr gerne Parallelslalom gefahren, weil man gegeneinander fahren konnte und nicht nur gegen die Zeit. Auch als Kind haben mir Vielseitigkeitsrennen mit Sprüngen und Steilkurven sehr viel Spaß gemacht“, erzählt Zacher.
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Auch Paul Eckert ist heute froh, dass es mit der Karriere als Alpiner nicht geklappt hat. Dass Skicross heute oft als Auffangbecken für diejenigen bezeichnet wird, die den Sprung in den alpinen Skiweltcup nicht schaffen, sehen die beiden nicht so. „Als wir mit Skicross angefangen haben, war das einfach aus Spaß. Es gab keine festen Strukturen und mit der Zeit sind wir mit dem System einfach mitgewachsen. Mittlerweile ist es aber nicht mehr so leicht, hier rein zu kommen. Dass man einfach mal Skicross fährt oder sich denkt, das eine klappt nicht, mach ich mal das andere, geht nicht mehr“, so Eckert.
Dass man trotz der vielen Unterschiede wie dem zu-viert-Fahren, dem hohen Luftstand und der vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeit (durchschnittlich jagen die Athleten mit 60-80 km/h über die Strecke, in der Abfahrt kommen die Läufer auf bis zu 130 km/h) in beiden Bewerben erfolgreich sein kann, zeigte Daron Rahlves. Der US-Amerikaner konnte nicht nur zwölf alpine Weltcuprennen (darunter Wengen und Kitzbühel) für sich entscheiden, sondern hing noch zwei durchwegs gute Saisonen im Skicross an seine Karriere an.
Die österreichischen Frischlinge
Einen ähnlichen Weg wollen heuer zwei ÖSV-Athleten gehen, die vom alpinen Team zu den Skicrossern wechselten. Frederic Berthold wurde im alpinen Bereich bei der Kadereinteilung nicht mehr berücksichtigt. Um weiter in seinen Spezialdisziplinen Abfahrt, Super-G und Kombination trainieren zu können, hätte er die Vorbereitung selbst finanzieren müssen. „Als ich mich dann mit meinem Vater (Anm. Matthias Berthold, Herrencheftrainer im DSV) und einem Skicross-Trainer lange unterhalten habe und die Chancen auf Erfolg im Skicross aussichtsreich schienen, entschied ich mich zu diesem Schritt“, erklärt der 27-Jährige. Ebenfalls neu im österreichischen Skicross-Team ist Thomas Mayrpeter. Der 26-Jährige kommt – wie Berthold – aus dem Speed-Bereich. Ein Kreuzbandriss bedeutete das Aus für seinen fixen Weltcupstartplatz in der Saison 2016. „Wegen meinen Verletzungen habe ich den Spaß am Skifahren verloren. Skicross ist eine neue Herausforderung mit einem frischen Reiz, die mir sehr viel Spaß macht“, erzählt Mayrpeter von seinem Wechsel.
Im Training geht es den beiden Frischlingen sehr gut, vor allem, weil es in vielen Teilen ihrem alten ähnelt. „Das zu-viert-Fahren ist natürlich sehr ungewohnt“, sind sich die beiden einig. Hier geht es den arrivierten DSV-Athleten nicht anders. „Mit bzw. gegen drei andere einen Kurs hinunterfahren, das erlernt man nicht einfach und kann es. Ich lerne das jedes Jahr wieder aufs Neue. Aber je mehr Heats man fährt, desto besser wird das Gefühl und irgendwann ist es wieder Alltag“, erklärt Paul Eckert. Dabei darf man natürlich die Taktik nicht vergessen, ergänzt Heidi Zacher: „Denn auf Position 1 fährt man quasi für sich allein, auf der 4 muss man sich immer aufs Überholen konzentrieren. Und auf den Positionen 2 und 3 kann vor und hinter einem jederzeit alles passieren.“ Diesen neuen Aspekt finden auch die beiden Österreich erfrischend: „Es macht richtig Spaß, sich auf der Strecke mit anderen zu messen, auch wenn es manchmal recht knapp wird, noch im Lauf zu bleiben“, erinnert sich Berthold an seine Trainingserfahrungen.
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Wie sich der unmittelbare Kampf gegen drei Konkurrenten im Rennen anfühlt, erfährt Frederic Berthold bereits dieses Wochenende im Rahmen der österreichischen Meisterschaften im Pitztal. „Nach diesen Rennen wird sich zeigen, ob es bei mir im Weltcup oder Europacup weitergeht. Ein Einsatz beim Heimweltcup im Montafon wäre schon ein großes Highlight in meiner ersten Skicrosssaison“, so der Vorarlberger. Thomas Mayrpeter wird seine ersten Rennen Mitte Dezember fahren und will sich gut in die neue Disziplin hineinarbeiten und verbessern: „Das Ziel ist ganz klar so bald wie möglich in den Weltcup zu kommen“.
Für Heidi Zacher und Paul Eckert beginnt die neue Saison am 6. Dezember im französischen Val Thorens. Ihr großes Saison-Highlight sind die Weltmeisterschaften in Park City, wo beide gern ihre jeweils erste Medaille einfahren wollen. Bis dahin sind die Ziele aber bescheiden: „Eine gute Vorbereitung möglichst ohne Verletzungen, ab dem ersten Rennen gut fahren und der Rest ergibt sich von allein“, stimmen beide überein.
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Beim Skicross befahren je vier Läufer gleichzeitig einen mit Sprüngen, Wellen und Steilkurven versehenen Kurs. Die Idee stammt aus den späten 1980er Jahren. Im Jahr 2002 wurde Skicross Teil des FIS-Weltcupkalenders, seit 2010 ist die Disziplin, die zum Freestyle gehört, olympisch. Nach einer Qualifikation auf Zeit fahren die schnellsten 32 Läufer in Vierer-Heats durch den Kurs. Gewertet wird im KO-System, die beiden Erstplatzierten steigen in die nächste Runde auf. Damen- und Herrenbewerbe finden zusammen statt, gewertet wird getrennt. Bewusster Körperkontakt führt zur Disqualifikation. Die aktuellen Top-Nationen im Skicross sind Frankreich, Kanada und die Schweiz.
Im Vergleich zum alpinen Skiweltcup ist die finanzielle Situation im Skicross deutlich schlechter. An Preisgeld wird nur das von der FIS vorgeschriebene Minimum ausgeschüttet. Ohne die Unterstützung des Skiverbands, der Sponsoren und ihren Beruf könnten die Athleten vom Sport allein nicht leben.