Snow-How

Skifahren allein reicht nicht mehr

Winterwandern: ein Trendsport für alle © Skiing Penguin
Winterwandern: ein Trendsport für alle © Skiing Penguin

Wintertouristiker, die zukunftsfit bleiben möchten, müssen sich unweigerlich stetig breiter aufstellen. Denn während die Zahl der Skifahrer (zumindest) stabil bleibt, wächst jene von Winterwanderern und Langläufern. Tourismusforscher Hubert Siller sprach in seiner Keynote auf der Interalpin über „Chancen und Herausforderungen am Berg“. Seine Thesen in Auszügen. 

Das Ende einer Wintersaison mag der richtige Zeitpunkt sein, um Bilanz zu ziehen. Noch entscheidender ist aber der Blick in die Zukunft. Um perspektivische Blicke zu schärfen, kann Hubert Siller helfen, seines Zeichens Fachhochschul-Professor und langjähriger Leiter des Department für Tourismus- und Freizeitwirtschaft am MCI Management Center Innsbruck. Der Tiroler rät etwa, dass man nicht mehr nur in Skierdays, sondern auch in Wintersportdays denken sollte: „Winterwandern ist ein großes Thema und wird noch ein größeres werden. Dazu kommen die nordische Bewegung und Rodeln.“ Seine An- und Aussichten sprach er auf den diesjährigen Inspiration Days auf der Interalpin aus, der weltweit größten Messe für Alpine Technologien. Folgend einige Auszüge aus Hubert Sillers Keynote „Chancen und Herausforderungen am Berg“.

Gegenwart: Warum der Wintertourismus für den Alpenraum so essentiell ist, verdeutlicht Hubert Siller anhand von ein paar wenigen Zahlen: „Zu den 386 Millionen Nächtigungen kommen mit 130 Millionen unentgeltlichen Nächtigungen noch jene in den Freizeitwohnsitzen dazu. Der Wintertourismus macht zwar ,nur‘ 43 Prozent aller Nächtigungen im Alpenraum aus, sorgt aber für 50 Prozent der Umsätze und ist somit der wesentliche Treiber des Wohlstandes und für die ganze regionale Entwicklung.“

Skierdays: Zufrieden dürfe man mit den Skierdays sein (darunter versteht man Gäste, die an einem Tag eine Liftanlage nutzen – auch bei mehrmaliger Beförderung wird pro Gast nur ein Skierday berechnet): „Weltweit ist bei den Skierdays ein hohes Niveau erreicht worden und es kann auch seit langer Zeit gehalten werden“, sagt Hubert Siller. 320 bis 350 Millionen Skifahrertage gebe es weltweit, Europa bzw. der Alpenraum machen etwa die Hälfte aus. „Der Ausländeranteil unter den Skifahrern ist übrigens nur in Andorra noch höher als in Österreich“, klärt Hubert Siller auf. Stabile Zahlen einzufahren gelinge übrigens nicht jeder Region: Japan etwa verzeichne einen Rückgang an Skierdays.

Hubert Siller bei den Inspiration Days der Interalpin 2019 © Interalpin/Thomas Steinlechner
Hubert Siller bei den Inspiration Days der Interalpin 2019 © Interalpin/Thomas Steinlechner

Wintersportdays: Neben den Skifahrertagen müsse man eher ab sofort als erst in Zukunft auch in Wintersporttagen denken, empfiehlt Hubert Siller, Fachhochschul-Professor mit den Forschungsschwerpunkten Tourismus- und Destinationsentwicklung sowie internationale Wintersportmärkte. So hat die Sporthochschule Köln im Vorjahr für den deutschen Markt 100 Millionen Wintersporttage errechnet. Skifahrer zählt man in Deutschland etwa 7,4 Millionen, Langläufer 5,8 Millionen. Und während die Zahl der Skifahrer eher stagniert, verzeichnete der Langlaufsport einen Zuwachs von 30 Prozent. „Skifahren bleibt die Nummer 1 unter den Wintersportarten und auch Snowboard hält sich. Aber Winterwandern ist ein großes Thema und wird noch ein größeres werden. Dazu kommen die nordische Bewegung und Rodeln.“

Winterwandern: Seit Jahren steigender Beliebtheit erfreut sich das Wandern in einer Schneelandschaft. Warum? Die Menschen werden immer älter und folglich auch die Wintersporttouristen. Viele scheuen mit zunehmendem Alter das Risiko auf den Skipisten, wollen aber auf die Landschaft nicht verzichten. Was liegt also näher, als sich die Gegend zu „erspazieren“ (oder auf Langlaufski zu erleben). Winterwandern zieht aber natürlich auch mitteljunge Naturliebhaber an, die entweder ihren sportlichen Winterurlaub durch eine weitere Art der Bewegung ergänzen wollen oder schlicht nicht sportlich sind (aber gerne spazieren gehen). Hubert Siller: „Die ersten Seilbahner haben auch den Trend bereits mit guten, innovativen Konzepten reagiert. Die Leute wandern nämlich lieber – gesichert – in der Höhe als im Tal und dafür braucht es ein Angebot.“ Ebenfalls immer gefragter wird zudem das Schneeschuhwandern. 

Resonanzmomente: Was laut Hubert Siller für jeden (Winter-)Urlauber zählt, sind Aktivität und Emotionalität: „Letztlich geht es für alle um Sehnsüchte und Gegenwelten. Diese Gegenwelt ist ein ganz wesentlicher Treiber und der Wintersport ist eine hoch attraktive, einzigartige Gegenwelt. Im Winter etwa hat das Mittelmeer geschlossen und die Städte sind nicht so attraktiv.“ In seinen Forschungsarbeiten hat sich gezeigt, dass eine Urlaubsreise in den Schnee – wie jene ans Meer – eine Suche „nach Glücksmomenten, Resonanzmomenten, Momenten, die einen richtig berühren“ sei. Überspitzt empfiehlt er: „Diese Momente gilt es zu designen, zu gestalten, zu entwickeln – aber sie müssen echt und ehrlich sein.“ Fazit? Jeder Urlaubsdestination sollte etwas Besonderes haben –  etwas, wodurch man sich von den Mitbewerbern abhebt. Wer das nicht hat, sollte etwas kreieren.

Hubert Siller bei den Inspiration Days der Interalpin 2019 © Interalpin/Thomas Steinlechner
Hubert Siller bei den Inspiration Days der Interalpin 2019 © Interalpin/Thomas Steinlechner

Bequemlichkeit/Convenience: Früher wurde vielerorts über beheizte Liftsessel oder Rolltreppen zum Lift noch gelacht, heute ist das nicht nur teilweise bereits eine Selbstverständlichkeit, es wird von den Gästen sogar erwartet. „Sobald die Frage der Convenience bei einer Innovation einen Fortschritt bedeutet, wird sie sich durchsetzen. Ist das nicht der Fall, wird sie sich nicht durchsetzen“, bringt Hubert Siller den Erfolg von Innovationen, die die Bequemlichkeit erhöhen, auf den Punkt. „Der Mensch ist sehr bequem was Services betrifft und am liebsten hat er alles aus einer Hand“, sagt Hubert Siller. Wo den Gästen eine Mühsal abgenommen werden kann, soll es versucht werden. Das geht vom Onlinekauf des Lifttickets, über die Onlinereservierung der idealen Leihski und des Skikurses, bis hin zu Restaurant- und Freizeitempfehlungen direkt aufs Handy.

Märkte: Aus Österreichischer Sicht solle man sich laut Hubert Siller auf die bestehenden Märkte fokussieren: „Ich möchte die Euphorie etwas dämpfen, dass wir sehr bald sehr viele Skifahrer aus China begrüßen werden. Zumindest nicht in den nächsten zehn bis 15 Jahren. Deutschland wird hoffentlich ein starker Markt bleiben, ebenso wie Skandinavien und Benelux sowie Zentral- und Osteuropa.“ Dass man neue Märkte erschließt, hält Hubert Siller für „schwierig“. Übrigens: Im Vorjahr lagen Gäste aus China bei den Winternächtigungen in Tirol knapp hinter jenen aus Luxemburg.

Klimawandel: Die Diskussion über den Klimawandel hält Hubert Siller für „so populistisch, dass sie dem Wintersport nur schaden kann“ und er präzisiert weshalb: “Wir sehen ganz klar, dass es bis zum Ende des Jahrhunderts einen Anstieg der Durchschnittstemperaturen geben wird und dass wir intensive Wetterereignisse mit hohen Variabilitäten haben werden. Aber es gibt keine Szenarien, in den nächsten zehn bis 15 Jahren die belegen, dass der Wintersport massivst eingeschränkt werden würde – und das sagen alle Experten.“