Zwischen Kitzsteinhorn, Großglockner und Großvenediger versteckt sich Österreichs wohl unbekanntestes Gletscherskigebiet: Die Weißsee Gletscherwelt. Dabei handelt es sich bei diesem Kleinod inmitten von Gletscherspitzen um einen alpinen Rückzugsort mit Geschichte.
Man muss schon zugeben, auf dem Weg zur Weißsee Gletscherwelt denkt man nicht nur einmal, dass man sich auf der Straße zum Ende der Welt befindet. Dabei liegt der Enzigerboden, wo die Talstation der Gletscherseilbahn wartet, nur 36 Kilometer von Zell am See entfernt am Ende des Stubachtals im Nationalpark Hohe Tauern. Es ist ein schmales Tal, das – ganz im Gegensatz zum parallel verlaufenden Kapruner Tal – kaum vom Tourismus geprägt ist. Vielmehr siedelten sich vereinzelt Landwirtschaften an den schmalen Wiesenstreifen am Fuße der Berge an.
Ein ständiger Begleiter auf dem Weg taleinwärts sind Strommasten, manchmal laufen sogar bis zu drei Hochspannungsleitungen über- und nebeneinander. Das für die rundum sehr naturbelassene Umgebung seltsame Bild geht auf die energiewirtschaftliche Nutzung des Stubachtals zurück. Mehrere Stauseen – darunter auch der Weißsee – werden bereits seit den 1920er Jahren zum Erzeugen von Strom durch Wasserkraft verwendet. 1926 wurde der Enzingerboden mit einer Straße erschlossen, die eigentlich für den Kraftwerksbau notwendig war. Neben Bauarbeitern brachten Postbusse aber auch zahlreiche Bergsteiger und Skifahrer erstmals in größeren Gruppen zum Weißseegletscher. Damals musste der Aufstieg zum namensgebenden See, der auf 2310 Meter Seehöhe liegt, noch zu Fuß erfolgen. Den zweiten großen touristischen Aufschwung brachte die neue Seilschwebebahn vom Einzingerboden bis hinauf zum Weißsee, die nach dem zweiten Weltkrieg neu erbaut wurde. 1957 beförderte diese Gondel bereits mehr als 100.000 Touristen auf den Gletscher.
Unzertrennlich mit der Geschichte der Erschließung der Weißsee Gletscherwelt verbunden ist die – deutlich bekanntere – Rudolfshütte. Das erste Schutzhaus, dessen Name auf Kronprinz Rudolf zurückgeht, wurde bereits 1874 als eine der ersten Hütten in den Hohen Tauern eröffnet. In den vergangenen 145 Jahren hat die Rudolfshütte mehrere Metamorphosen mitgemacht – Sprengung, Versinken im aufgestauten Weißsee und örtliche Verlegung (um 65 Meter) inklusive. 1959 verfügte die neugebaute Rudolfshütte als Hotel bereits über 220 Betten und diente immer wieder als Quartier der österreichischen Ski-Nationalmannschaft. Toni Sailer, Hias Leitner, Karl Schranz und Co verbrachten dort ihre Trainingslager. Heute verfügt das moderne Berghotel über 90 Zimmer, ein Panorama-Hallenbad und einen SPA-Bereich. Wer nach einer Ski-In/Ski-Out-Herberge weit (ganz weit) weg vom Trubel sucht, sollte hier gut aufgehoben sein.
Skifahrer, Wanderer und Tourengeher, die nicht im Berghotel nächtigen, fahren einfach mit der Einseilumlaufbahn auf den Berg, die 1982 für den Personenverkehr errichtet worden ist. Ihre Talstation befindet sich auf stattlichen 1482 Meter Seehöhe am Enzingerboden, die Bergstation direkt hinter der Rudolfshütte. Wer zum ersten Mal die Weißsee Gletscherwelt besucht, muss sich übrigens lange gedulden. Der erste Blick auf die weiten Hänge und Flanken eröffnet sich erst kurz vor der Mittelstation. Bis dahin versteckt sich das Skigebiet hinter den umliegenden Bergen.
Oben angekommen – nach einer teils ruppigen Fahrt mit der doch schon 37 Jahre alten Gondel-Dame – erstreckt sich ein atemberaubendes 360-Grad-Panorama über dick in Schnee gehüllte 3000er wie die Granatspitze, den Stubacher Sonnblick oder den Totenkopf. Obwohl er „nur“ 2760 Meter misst, steht der Medelzkopf imposant über dem Skigebiet am Weißsee. Der gleichnamige 2er-Sessellift lockt aufgrund seiner prominenten Platzierung als erster mit einer Fahrt. Seine Talstation liegt schräg gegenüber der Sonnenterasse der Rudolfshütte, die kurze Abfahrt dorthin dient ideal zum Aufwärmen. Wer sonst in einem niedriger gelegenen Skigebiet unterwegs ist, kann ganz schön schnell ins Schnaufen kommen, denn die Höhenluft macht sich bemerkbar.
Die Fahrt mit dem Medelz-Lift eignet sich nicht nur für einen Blick auf das überschaubare Skigebiet – es gibt insgesamt 23 Pistenkilometer und acht Liftanlagen –, sondern auch, um die beeindruckende Landschaft zu genießen: Links und rechts des Liftes liegen breite unverspurte Hänge, die sich die Skitourengeher „erarbeiten“, unmittelbar neben der Lifttrasse führt eine abwechslungsreiche Abfahrt zurück zur Talstation.
Mit sechs Kilometern blauen und 15 Kilometern roten Pisten ist das Skigebiet für Anfänger und Familien ideal. Bis auf eine kurze schwarze Piste laden alle Hänge gefahrlos zum Carven und Wedeln ein – auch noch Mitte April, denn der Schnee ist (zumindest am Vormittag) noch knackig und hart. Mit viel Schwung geht es von der Piste am Medelzkopf zur Einstiegsstelle des Hüttenlifts, denn sie liegt auf einer kleinen Anhöhe. Snowboarder und Anfänger müssen da schon mal abschnallen bzw. raufsteigen. Der kurze Schlepplift führt an der Rudolfshütte vorbei auf den Schafbühel, wo sich auch die Bergstationen von drei anderen Liftanlagen treffen. Nach ein paar kräftigen Schlittschuhschritten erreicht man die rote Abfahrt zum Tauernmoossee. Während der große See noch von Schnee und Eis bedeckt ist, dominiert seine Staumauer – eine der längsten Europas – den Blick Richtung Norden.
Zwischen Ödenwinkelkees und dem Stausee wartet die Talstation des Tauernmoos-Lifts, um die Skifahrer wieder bergauf zu befördern. Vom 2er-Sessellift aus lassen sich wunderbar die schroffen Felswände Richtung Medelzkopf bestaunen und die vielen Variantenfahrer im frühlingshaften Firn beobachten. Allen Neulingen in der Gletscherwelt, die gern einmal neben der präparierten Piste ihre Schwünge ziehen, sei aber geraten, sich das Gelände zunächst vom Lift aus anzusehen: Zahlreiche Steine, Felsvorsprünge und Wächten ziehen sich durch die Hänge.
Während sich auf den markierten Pisten hauptsächlich Anfänger und Familien tummeln, ist der freie Skiraum der Weißsee Gletschwelt ein Paradies für Freerider und Tourengeher. Aufstiegsfaule erreichen mit den beiden Sesselliften Routen mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden, Tourengeher schöpfen dank der kesselartigen Lage aus einem fast unendlichen Abfahrtsreichtum. Gespurte Aufstiegsrouten geben Orientierung für kleinere Touren. Wer – im wahrsten Sinn des Wortes – höher hinaus will, kann sich einer Tourengruppe anschließen oder einen Skiführer buchen.
Die einzige schwarze Piste rund um den Weißsee liegt etwas unterhalb des Schafbühels. Entlang des Zehner-Lifts, eines erstaunlich kraftvollen Schleppers, führt sie über steiles Gelände zur Talabfahrt. Aufgrund ihrer westlichen Ausrichtung ist die Piste auch im Frühling noch nachmittags in einem sehr guten Zustand. Wer an diesem Punkt noch nicht genug hat, schwingt sich einfach mit dem Schlepplift wieder zurück auf den Schafbühel. Ansonsten geht es über eine zwar ausgesprochen flache, aber landschaftlich sehr ansprechende Abfahrt zur Mittelstation der Gondelbahn am Grünsee. Zwischen dem gleichnamigen Gasthaus und dem Kinderland der Skischule muss man sich dann endgültig entscheiden: Berg- oder Talfahrt. Denn obwohl es eine Skiroute zum Enzingerboden gibt, ist eine Liftfahrt Mitte April zurück zum Auto etwas ratsamer. Gäste des Berghotels Rudolfshütte bleibt diese Entscheidung übrigens erspart. Sie fahren einfach wieder hinauf und genießen den Sonnenuntergang auf 2315 Metern.
Was uns gefallen hat:
- die exponierte Lage auf über 2000 Meter Seehöhe garantiert Schneesicherheit bis Ende April
- das Skigebiet ist ein Geheimtipp und daher nicht überlaufen
- sowohl Anfänger als auch Profis finden ihre „Spielwiesen”
- das Gefühl völliger Abgeschiedenheit hat auch bei einem Tagesausflug einen erholsamen Effekt
Was uns weniger begeistert hat:
- die Straße zum Enzingerboden ist nicht unbedingt für ungeübte Fahrer geeignet – vor allem wenn Gegenverkehr kommt, sollte man auf der teilweise einspurigen Fahrbahn die Nerven bewahren können
Weißsee Gletscherwelt – Facts:
- Tageskarte Erwachsene 35 Euro, Ermäßigt 30 Euro, Kinder 17,50 Euro
- gratis parken
- 23 Pistenkilometer und acht Lifte
- Berghotel Rudolfshütte
- zwei Hütten/Restaurants
- Specials: Skitourenrouten, Routen für Freerider
Und was gibt es noch?
In der Bergstation gibt es Dauerausstellung (gratis) zum Thema „Gletscher – Klima – Wetter”, in der Talstation ein Infocenter, das sich mit der Erzeugung von Bahnstrom beschäftigt.