Großer Beliebtheit erfreuen sich Buckelpisten in Österreich nicht. Hier und da rutscht ein ambitionierter Skifahrer durch die Buckel, in den Skikursen lösen sie oft nur Proteste aus. Auch Melanie Meilinger machte früher einen großen Bogen um die Buckel, bis sie ihnen einfach nicht mehr entkommen konnte. Heute ist sie Österreichs Nummer 1 in dieser Disziplin und war bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang am Start. Als One-Woman-Team in einer Randsportart hat sie aber hart zu kämpfen, nicht nur, weil der ÖSV sein Förderprogramm eingestellt hat.
Wenn bei herrlichem Sonnenschein im August direkt am Ufer eines Kärntner Sees Alpinski und Skischuhe liegen, kann etwas nicht stimmen … Oder doch? „Ich trainiere hier natürlich mit einer ganz normalen Skiausrüstung“, erzählt Melanie Meilinger, „aber die Sachen nehm ich nur fürs Sommertraining, die riechen ja schon wie ein Fischteich“, lacht die Salzburgerin. Wir befinden uns in Föderlach, wenige Kilometer von Villach entfernt, wo an einem Baggersee zwei große Wasserrampen stehen. Für Freeskier in Österreich und der näheren Umgebung bieten diese beiden Schanzen hervorragende Trainingsbedingungen, um im Sommer an den Sprüngen zu feilen: Der Anlauf ist nicht übermäßig lang, die Landung nass, enden die Rampen ja direkt im See. So finden sich auf der Waterramp im Sommer immer wieder Athleten, die sich im Winter in den Disziplinen Big Air, Slopestyle oder Buckelpiste messen.
Meilingers Herz schlägt für letztere, sie ist vierfache Österreichische Buckelpistenmeisterin und war Österreichs einzige Vertretung in dieser Sportart bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang. Von der Liebe auf den ersten Blick kann die 27-Jährige aber nicht sprechen: „Früher habe ich einen großen Bogen um die Buckelpisten gemacht.“ Bis 2010 ist sie Alpin-Skirennen gefahren und war Teil des Salzburger Landesskiverbands. Das Skifahren liegt Meilinger im Blut, schon ihr Vater ist Rennen gefahren und in ihrer Heimat Mühlbach am Hochkönig wuchs sie neben einem kleinen Skilift auf. Obwohl das Stangen fahren anfangs nur eine Wochenendbeschäftigung und die Aussicht auf eine erfolgreiche Karriere als Rennfahrerin nicht besonders vielversprechend war, wechselte Meilinger vom Gymnasium auf die Ski-Hotelfachschule Bad Hofgastein: „Mir war wichtig, dass ich nicht nur Ski fahren kann, sondern auch einen fertigen Beruf habe.“ Ihr Talent für die Speed-Disziplinen wurde ihr dann aber zum Verhängnis. „Da es mehr Athleten gegeben hat, die Riesentorlauf und Slalom gefahren sind, wurde ich mit den Speed-Burschen mitgeschickt und das hat einfach nicht gut funktioniert“, blickt Meilinger zurück.
Nach der Schule wurde erstmal ein Schlussstrich unters Rennenfahren gezogen. Als ausgebildete Landesskilehrerin und C-Trainerin ging Meilinger nach Australien, wo sie im Raceclub von Falls Creek eine eigene Trainingsgruppe betreut hat. „Australien war für mich eine Ruckzuckentscheidung. Es war für mich immer ein Kindheitstraum, das Arbeiten in fremden Ländern mit dem Skifahren zu verbinden“, erzählt sie. Während dem Buckelpistenfahren in Mitteleuropa nur wenig Beachtung geschenkt wird, fand sich Meilinger in Australien in einem Moguls-Mekka wieder: „Dieser Sport hat dort einen ganz anderen Stellenwert, es werden schon für Kinder irrsinnig viele Buckelpistenwettkämpfe veranstaltet. Da bin ich als Skilehrerin und Trainerin einfach nicht mehr drumrum gekommen.“
Dass sich am anderen Ende der Welt eine Österreicherin in den Buckeln ganz gut anstellt, sprach sich bis zum ÖSV durch. So zögerte der Verband nicht mit der Anfrage, Meilinger in sein neues Buckelpistenteam zu holen. Nachdem Österreichs ehemals erfolgreichste Freestyle-Athlethin, Margarita Mabler, ihre Karriere 2010 beendet hatte, galt es ein neues Team für die Heim-WM 2015 am Kreischberg aufzubauen. „Der Gedanke war, bei ehemaligen alpinen Skirennläufern nachzufragen, weil sie nur noch das Springen lernen müssten“, erzählt Meilinger – zwischen den Buckeln sind immerhin zwei spektakuläre Sprünge zu absolvieren. Innerhalb von nur vier Jahren sollte eine wettkampffähige Basis aufgebaut werden. „Ich war damals 20, stand zum ersten Mal auf einem großen Trampolin und habe meine ersten Salti geschlagen. Aber nach dem Probetraining auf dem Kitzsteinhorn habe ich alles stehen und liegen gelassen und hatte ein neues Ziel: die Heim-WM am Kreischberg.“
Das Ziel wurde erreicht: Meilinger schaffte nicht nur die Qualifikation für die Weltmeisterschaft, sondern fuhr auch zweimal unter die Top 30. „Bei diesen Bewerben haben wir aber erst gesehen, wo die Weltspitze im Vergleich zu uns ist, und wo ich eigentlich hin will. Von da an habe ich alles andere untergeordnet und verfolge jetzt wieder den skifahrerischen Traum“, berichtet Meilinger, seit der Saison 2013 ist sie im Weltcup am Start. An der Weltspitze messen sich überwiegend Athleten aus Australien, Kanada und den USA, wo der Sport Tradition hat und jährlich etwa zehn Nachwuchsathleten Richtung Weltcup drängen. Der mitteleuropäische Raum hingegen führt in den Bestenlisten im Buckelpistensport ein Schattendasein. Auch der ÖSV hat das Projekt wieder ausgegliedert: „Obwohl wir mit Margarita Mabler eine sehr gute Fahrerin hatten, hat sich nie eine richtige Verbandsstruktur daraus entwickelt,“ berichtet Roman Kuss, sportlicher Leiter des Freeski-Bereichs im Skiverband. „Aufgrund von Streitereien und Schwierigkeiten innerhalb der Buckelpistenszene konzentrieren wir uns ausschließlich auf die neuen Disziplinen Big Air, Slopestyle und Halfpipe,“ erklärt Kuss weiter. Um alles abzudecken, seien einfach nicht genug Ressourcen vorhanden und so wurde die Förderung für das Buckelpistefahren vor einem Jahr endgültig gestrichen.
Meilinger verließ das WM-Team schon zuvor und schlägt sich seitdem als Einzelkämpferin durch. „Ich bin mit meinem Trainer Aleš Špan allein, organisiere und finanziere alles selber.“ Zweimal startete sie schon eine Crowdfundingaktion, die erste mit dem Ziel, richtige Buckelpistenski zu kaufen. „Davor bin ich immer mit Jugendrennski gefahren, aber um mich weiterentwickeln zu können, mussten einfach richtige Ski her“, erzählt sie. Das zweite Crowdfunding unterstützte im vergangenen Jahr den Weg nach Pyeongchang. „Die Olympiateilnahme war der Kindheitstraum schlechthin“, strahlt Meilinger, die als erste gebürtige Österreicherin (Mabler war gebürtige Russin) für Österreich in dieser Disziplin an den Spielen teilnehmen durfte.
War bis vergangenen Februar Pyeongchang das ultimative Ziel, so sind es seit März die Olympischen Spiele in Peking 2022: „Wir haben uns dazu entschieden, die nächsten vier Jahre weiterzukämpfen, weil einfach noch so viel Potenzial da ist.“ Eigentlich sollte Meilinger die Sommermonate in Australien verbringen, um dort auf Schnee zu trainieren, doch die finanzielle Situation lässt das nicht zu. „Ein Jahr im Weltcup kostet rund 25.000 Euro, es sind zwischen zwölf und 14 Bewerbe quer auf der Welt, die wenigsten in Europa. Ich habe zwar seit Jahren kleinere Sponsoren aus meiner Heimatregion, denen ich sehr dankbar bin, aber ein Überseetraining würde nochmal gut 10.000 Euro mehr kosten – das ist momentan undenkbar“, so Meilinger. So perfektioniert sie die Sprünge auf der Kärntner Waterramp. Die Maße der Schanze entsprechen sogar genau dem Reglement.
Im Buckelpistensport das große Geld zu machen, ist in Österreich grundsätzlich so gut wie unmöglich. „Bei uns ist das eine Randsportart, es fehlt am öffentlichen und medialen Interesse und es gibt keine TV-Übertragungen der Wettkämpfe. Da kann ich auch nicht einfach mit dem Logo eines Sponsors werben, denn sehen würde das ohnehin niemand,“ ärgert sich die Salzburgerin. Am Rennfahren selbst verdient Meilinger (noch) nichts, denn Preisgelder gibt es nur für die Top 10 – von den großen Summen, die im alpinen Weltcup ausgezahlt werden, können aber selbst die Topplatzierten nur träumen.
Für die kommende Saison setzt sich Meilinger zum Ziel, im Weltcup konstant unter die Top 30 zu fahren, um sich über kurz oder lang in den besten 20 einen Fixplatz zu sichern, im Europacup möchte sie zu den Top 3 gehören. Auch eine WM steht wieder an, für die eine Qualifikation zu absolvieren ist. Aber nicht nur das, mit einem Fernstudium will sie sich schon jetzt auf die Zeit nach den Olympischen Spielen 2022 vorbereiten. Und eine Herzensangelegenheit von Melanie Meilinger gibt es da auch noch: Die Buckeln in Österreich wieder beliebt zu machen. Die Österreichischen Meisterschaften, die sie in ihrer Heimat am Hochkönig organisiert hat, sollten ein erster Schritt in diese Richtung sein.