Für Millionen polysportiver Wintersportler braucht es Kleinliftanlagen ebenso wie Schulskikurse, Loipen, Winterwanderwege und Hüttenkulinarik. Der asiatische Markt spielt für die Zukunft des Wintersports in den Alpen keine große Rolle. Darüber diskutierten auf der ITB in Berlin Josef Magreiter (Tirol Werbung) und Leo Bauernberger (Salzburgerland Tourismus).
Auch wenn manche Medienmeldungen etwas Anderes behaupten würden, „die Wintersportnachfrage befindet sich in einem stabilen Hoch“, lautet Ralf Roths Fazit. Der Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln beruft sich auf die repräsentative Grundlagenstudie „Wintersport Deutschland 2018“ wofür 5000 Menschen befragt wurden (online hier abrufbar). Gerade deshalb wurde im Rahmen der weltgrößten Tourismusmesse ITB in Berlin von der Initiative „Dein Winter. Dein Sport“ die Frage gestellt „Wie ist es um die Zukunft des Wintersports bestellt?“ und für die Diskussion holte man sich Gäste aus Österreichs Alpen: Josef Magreiter, Direktor der Tirol Werbung, und Leo Bauernberger, Geschäftsführer von Salzburgerland Tourismus. Beide zeigten sich erfreut über die Zahlen, denn von allen sporttreibenden Deutschen setzen 68 Prozent auf Wintersport und dafür geben sie jährlich 13 Milliarden Euro aus – zu Hause und im Urlaub wie etwa in Österreich. Insgesamt werden jeden Winter 14,6 Tage dafür genützt, um sich draußen zu bewegen. Was stagniert ist die Zahl der Skiläufer: 7,4 Millionen Deutsche waren es im Vorjahr. Für 5,8 Millionen ist Langlauf die Hauptsportart, was einen Anstieg von bis zu 30 Prozent bedeutet.
„Die Wintersportler werden zunehmend polysportiv“, sagt Ralf Roth und präzisiert: „Das heißt, wir bekommen nicht mehr von ihnen, aber sie betreiben ein größeres Spektrum. Viele Alpinfahrer haben auch zum Langlauf eine Affinität oder zu Skitouren.“ Im Schnitt übt jeder wintersportaffine Deutsche 2,2 Schneesportarten aus: von Ski Alpin über Snowboarden und Nordisch bis hin zum Schlittenfahren, Tourengehen, Schneeschuh- und Winterwandern.
Die wichtigsten Statements der Diskussion auf der ITB:
Die Gegenwart: „Wir steuern auf die beste Wintersaison aller Zeiten zu“, berichtet Leo Bauernberger, Geschäftsführer von Salzburgerland Tourismus. Sieben Prozent liege man über den Zahlen des Vorjahres. Der schneebezogene Tourismus bringe Salzburg jährlich um die 15 Millionen Übernachtungen – bei 200.000 Gästebetten. Auch in Tirol freut man sich heuer über elf Prozent Umsatzplus: „Das Hauptgeschäft bleibt Alpinski und wir haben die höchste Dichte an modernen Wintersportbergen weltweit“, sagt Josef Magreiter von der Tirol Werbung und wandelt eine Weisheit aus dem Entertainment ab: „There is no business like snow business!“ Sieben von zehn Euro verdiene man in Tirol mit Schnee. Dem pflichtet Ralf Roth von der Sporthochschule in Köln bei. Schon vor 15 Jahren wusste er „No snow, no show.“ Heute klingt das so: „Schnee ist ein Alleinstellungsmerkmal und wer Schnee hat, hat es einfach. Der Winter ist eine Jahreszeit, der Sommer ist eine Herausforderung.“
Die Zukunft: Ob es auch in zehn Jahren wirtschaftlich noch so läuft wie heuer, vermag Josef Magreiter natürlich nicht zu prognostizieren. Aber er empfiehlt ringsum sich weniger auf die Schwächen zu konzentrieren, sondern „Stärken zu stärken“. Das Um und Auf sei Convenience: „Am Anfang haben über den beheizten Liftsessel oder Rolltreppen zum Lift noch gelacht. Inzwischen ist das vielerorts etwas, das erwartet wird.“ Nun rät Magreiter Touristikern – neben dem „Plus zum Skifahren“ (Kinderbetreuuung, Kulinarik, Kultur) – zum nächsten Schritt: „Es braucht eine Offensive für Winterwandern und Winterwanderwege in den Skigebieten. Mit dem Gedanken können sich einige noch genauso wenig anfreunden, wie einst mit dem Downhillbiken. Dabei ist das inzwischen das Skifahren des Sommers.“ In den weltweiten Fokus der Nordischen rücke Tirol zudem 2019 etwa mit der Weltmeisterschaft in Seefeld. Für Leo Bauernberger ist es wichtig, „gerade jetzt, wenn es gut läuft und der Erfolg da ist, nicht träge zu werden und in Selbstgefälligkeit zu verfallen. Wir müssen den Wintersport viel breiter sehen und flexibler sein. Und wir müssen relevant bleiben. Wintersportangebote bleiben bei der jungen Zielgruppe nicht automatisch relevant – das ist harte Arbeit.“
Der Nachwuchs: Leo Bauernberger appelliert dazu, jungen Menschen den Zugang zum Skifahren zu erleichtern. In der Handelsakademie seiner Frau etwa, nur 20 Minuten vom nächsten Skigebiet entfernt, gäbe es 700 Schüler und keinen Skikurs. Ganz anderes die Situation in Tirol. Nach dem Einbruch bei den Schulskiursen vor etwa 15 Jahren habe man heuer den Turnaround geschafft – „auch dank der Politik“, sagt Josef Magreiter. Heuer zählt man 50.000 Schüler aus Tirol bei den Wintersporttagen und -Wochen sowie einen 80-prozentigen Prozent Zuwachs bei den Schulskiwochen. Auch im Hinblick auf den Nachwuchs warnt Ralf Roth davor, sich zu sehr auf den Luxus-Gast zu konzentrieren: „Es muss auch in Kleinliftanlagen – so genannte Bürgermeisterlifte – investiert werden. Sie entscheiden die Masse der Nachfrage.“ Da kann Leo Bauernberger Positives berichten: „Im Salzburgerland haben wir genau dafür einen eigenen Fonds, der von den großen Seilbahnunternehmen gespeist wird. So werden jene Lifte unterstützt, die oft nicht kostendeckend wirtschaften können – aber entscheidend für den Nachwuchs sind.“
Die Umwelt: Aus ökologischer Sicht hält Josef Magreiter Alpentourismus für die europäischen Nahräume „jedenfalls für die beste Wahl“. Auch wenn „70 bis 80 Prozent des ökologischen Fußabdrucks durch An- und Abreise“ verursacht würden. Aber er stellt eine Relation her: „Wir können ein ganzes Skigebiet einschneien, mit der Energie, die ein einziger Karibik-Flug verursacht.“
Der asiatische Markt: Die Olympischen Winterspiele in Südkoreas Pyeongchang liegen hinter uns und unterdessen möchte Chinas Staatschef X Jiping bis zu den nächsten Spielen 2022 in Peking rund 300 Millionen Chinesen zum Wintersport bringen. Dennoch rechnet man weder in Salzburg noch in Tirol mit einem Boom von Asiaten, die Österreichs Gipfel stürmen: „2,5 Prozent der Touristen im Salzburgerland kommen aus Asien und die wenigsten davon sind Wintersportler. Für sie geht es um Sightseeing, Shopping, Gentle Hiking und Kulinarik“, sagt Leo Bauernberger. Ähnlich sieht es Josef Magreiter: „Wie oft fahren wir selbst in die Rocky Mountains? Ein-, zweimal. Dann hat man das Beste gesehen und fährt fortan wieder vor der Haustüre Ski.“ Die Zukunft für den Tiroler Wintersporttourismus sieht er „weiterhin im Umkreis von 1000 Kilometern“. Übrigens: Bei den Winternächtigungen liegt China in Tirol derzeit knapp hinter Luxemburg.